Boston (Patriots Day) – Review

Für ‚Patriots Day‘ arbeitet Regisseur Peter Berg bereits zum dritten Mal mit Mark Wahlberg zusammen und versucht die schrecklichen Geschehnisse des Anschlags auf den Boston Marathon auf die Leinwand zu bringen. Dabei zeigt er verschiedenste Einzelschicksale, mit welchen er ein mitreißendes, realistisches Bild zeigt, beginnend beim Tag vor dem Marathon und endend mit der Verhaftung des zweiten Attentäters. Dies ist aber keine große Überraschung und sollte daher auch nicht als Spoiler angesehen werden. Jeder, der die Ereignisse auch nur peripher in den Medien mitbekommen hat, weiß, wie sich die Geschichte, zumindest in den Grundzügen, entwickelt. Die beiden tschetschenisch-awarisch abstammenden Brüder Dzhokhar und Dschochar Zarnajew greifen am 15. April 2013 den Boston Marathon mit zwei selbstgebauten Rucksack-Splitterbomben an. Die Täter können flüchten, ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt.

Etwas schockierend ist hier der sehr geringe Abstand der Verfilmung zu den Attentaten selbst (2013 fand das Attentat statt – 2016 kam Patriots Day in die Kinos). Die Wunden der Opfer scheinen noch viel zu frisch und es schwebt ein fahler Beigeschmack mit, welcher von Filmbeginn an bei vielen Zuschauern schwer abzuschütteln sein wird, selbst zwei Jahre später im heutigen 2018. Im Zentrum der Geschichte steht die Figur von Mark Wahlberg. Er verkörpert den Bostoner Police Sergeant Tommy Saunders, welcher eine große Rolle in den Ermittlungen gespielt hat und auch bei den beiden Explosionen direkt vor Ort war. Der Film ist gespickt mit Einzelschicksalen, so begleiten wir unter anderem ein junges Paar vor den Ereignissen, welche später durch die Explosionen verletzt wurde, oder auch einen Police Seargent von Watertown. Hier wendet Regisseur Berg ein geschicktes Stilmittel an: Die gezeigten Handlungsstränge machen nicht immer sofort Sinn. Viele der gezeigten Personen spielen erst im späteren Verlauf der Ereignisse eine Rolle und so wird ein gewisses Überraschungsmoment erzeugt. Die Kurzgeschichten werden immer wieder zwischendurch eingestreut und lockern den Film auf, was dem Pacing des Films im späteren Verlauf sehr, sehr gut tut. Jedoch gerade im ersten Drittel des Films stören die vielen verschiedenen Handlungsstränge etwas, da der Überraschungsmoment wie erwähnt teilweise lange auf sich warten lässt, oder gar nicht einsetzt. Einzelne Stränge dienen rein der Steigerung der Dramatik und wirken im Gesamtbild des Machwerks deplatziert, da in der kurzen Zeit kaum eine emotionale Fallhöhe aufgebaut werden kann.

Nach dem schleppenden ersten Drittel wird völlig unerwartet an der Spannungsschraube gedreht. Sobald die erste Bombe hochgeht, schafft der Film ein Spannungsniveau, welches man nur sehr selten miterleben darf. Das Gezeigte ist brutal, verstörend und direkt. Dabei wird immer wieder echtes Überwachungsmaterial eingebaut, was der Dramatik nochmal unglaublich Nachdruck verleiht. Die Kamera schwenkt über die Zielgerade des Marathons und man wird zu tiefst erschüttert. Dies wirkt so real, dass einem das Blut in den Adern gefriert und der Atem stockt. Die weitere Handlung soll ab diesem Punkt nicht verraten werden. Wer sich nämlich mit den Ereignissen nicht direkt live oder im Detail beschäftigt hat, wird vom weiteren Verlauf der Geschichte des Öfteren überrascht werden. Den restlichen Film über gibt es kein Aufatmen mehr. Erwähnt sei hier noch eine spätere Straßenschlacht, welche locker zu den Top 3 der intensivsten, mitreißendsten und brachial inszeniertesten Actionszenen der letzten 10 Jahre gezählt werden kann.

Der Regisseur verzichtet einen Großteil des Films über auf den üblichen Patriotismus, den man von solchen Filmen gewohnt ist. Im Fokus steht der Zusammenhalt der Bostoner Bürger. Nur zum Schluss schwingt Mark Wahlberg nochmal eine Rede, die äußerst aufgesetzt und unrealistisch wirkt. Diese hält er aber nicht live im Fernsehen, oder vor versammelter Mannschaft, sondern nur vor einem einzelnen Kollegen, gemütlich am Kofferraum eines Polizeiautos. Dazu gibt es den bekannten Supercut von Menschen, die sich in die Arme fallen. Diese Szene bricht komplett mit dem Film, der bis dahin mit weitaus subtileren Mitteln Emotionen erzeugen konnte. Die Kameraarbeit ist solide, nah dran und wirft einen direkt ins Geschehen. Die musikalische Untermalung wird überraschender Weise von Trent Reznor, Mastermind der Nine Inch Nails, in Kooperation mit Atticus Ross geliefert. Die beiden schufen schon den Score bei Social Network, Verblendung und Gone Girl. Diesmal wird aber kaum experimentiert. Die Stücke sind absolut passend, aber kaum außergewöhnlich.

Der Film punktet ebenso mit einem großen Staraufgebot. Neben Mark Wahlberg haben unter anderem J.K. Simmons, Kevin Bacon, John Goodman und Alex Wolff spannende Rollen. Mark Wahlberg selbst liefert nur eine gemischte Leistung ab, er hat gute Moment, aber auch Szenen, die an sein Schauspiel in ‚The Happening‘ zurückerinnern. Alex Wolff zeigt eine hervorragende Performance als Dshokhar, der jüngere der beiden Attentäter.

Fazit:

Empfehlenswertes Actiondrama welches mit spannender Action absolut überzeugen kann, aber Abzüge aufgrund der wackeligen Performance von Mark Wahlberg, einem holprigen ersten Drittel und manch überzogener Szenen bekommt. Hier können Fans von ‚Zero Dark Thirty‘ oder ‚The Hurt Locker‘ bedenkenlos zugreifen.

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Pressematerial ist Eigentum von Constantin Film – Bildquelle: skip.at

Poster: © 2018 Constantin Film

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