Die dunkelste Stunde (Darkest Hour) – Review

Nach dem eher durchwachsenen ‚Pan‘ zieht es den britischen Regisseur Joe Wright wieder zurück zum Drama, diesmal aber mit historischem Hintergrund. In ‚Darkest Hour‘ sehen wir das Vereinigte Königreich im Jahre 1940, in tatsächlich einer der dunkelsten Stunden, am Rande des Abgrunds. Hitler wütet durch Europa und ist gerade dabei Holland und Frankreich einzunehmen. Mit voller Kraft drückt er mit seiner Panzerarmee Richtung Großbritannien und hat dabei den Rest der britischen Infanterie in Dünkirchen umstellt. Nun müssen schwere Entscheidungen getroffen werden, denn das Leben von 300.000 britischen Soldaten steht auf dem Spiel und Hitlers Terrorregime droht auf die britische Insel überzugreifen.

Der britische Premier Neville Chamberlain muss sich im Parlament so heftiger Kritik aufgrund seiner schlechten Kriegsvorbereitungen für den zweiten Weltkrieg stellen, dass er sich gezwungen fühlt, sein Amt im Mai 1940 niederzulegen. Nun muss die Konservative Partei schnellstmöglich einen Nachfolger finden, welcher von der Opposition auch akzeptiert wird. Da sich Chamberlains Wunschnachfolger Lord Halifax der Verantwortung nicht gewachsen fühlt, bleibt Winston Churchill, damals Erster Lord der Admiralität, als einzig übrige Option. Wir sehen also die Tage kurz vor der Amtsniederlegung Chamberlains und begleiten den bedeutendsten britischen Staatsmann des 20. Jahrhunderts, bei der Amtseinführung und über die darauffolgenden Wochen. Die Wahl des Regisseurs für die Rolle des Winston Churchills lässt direkt aufhorchen: Der Brite Gary Oldman, letztlich bekannter durch seine Rolle als Commissioner Gordon in Nolans ‚Dark Knight‘-Trilogie und gerngesehener Bösewicht in den Filmen der 90er. Wer den Schauspieler kennt, weiß, dass dieser sich völlig vom Körperbau und der Statur Churchills unterscheidet. Zwischen den beiden liegen zum Zeitpunkt der Ereignisse im Jahre 1940 außerdem fast 20 Jahre. Oldman wird für seine Rolle also in einen Fatsuit gesteckt und erhält eine der besten Make-up-Arbeiten überhaupt, welche auch mit dem Oscar für bestes Make-Up 2018 prämiert wurde.

Er spielt hier die Rolle seines Lebens – teilweise so überzeugend, dass man glaubt, den echten Winston Churchill zu sehen, denn es lassen sich nur mehr Nuancen seines echten Gesichts erkennen. Dabei übernimmt er die bekannten Eigenheiten von Churchill, sowie auch seine Sprech- und Verhaltensweise – eine sagenhafte Leistung. Churchill wird uns hier aus den verschiedensten Perspektiven nähergebracht. Wir sehen ihn beim ersten Zusammentreffen mit seiner neuen Sekretärin Elisabeth Layton, gespielt von Lily James, welche er durch seine forsche Art direkt zum Weinen bringt. Daraufhin rügt ihn seine Frau Clementine, sympathisch verkörpert von Dame Kristin Scott Thomas, was auch weitere Auswirkungen auf den Umgang mit seinen Mitmenschen hat. Churchill war eine schrullige, aufbrausende, aber auch bedachte Persönlichkeit, und so wird er uns auch vorgestellt. Ben Mendelsohn als King George der VI. muss hier ebenfalls unbedingt erwähnt werden, er weiß in jeder Sekunde seiner Screentime zu überzeugen. Das Set-Design ist opulent, detailliert und wurde sogar an vielen Originalschauplätzen gedreht. Der ganze Film besteht hauptsächlich aus Unterhaltungen zwischen Churchill und seinen Mitmenschen. Die Dialoge sind ausgezeichnet geschrieben, sowie gespielt. Wer sich für die Thematik interessiert, oder vor kurzem Christopher Nolans ‚Dunkirk‘ gesehen hat, dürfte aber von den Gesprächen sehr gut unterhalten werden. Der Film fungiert nämlich als Gegenstück zum 2017 erschienenen ‚Dunkirk‘. Man bekommt quasi parallel zur Handlung von Nolans Meisterwerk, die Geschehnisse in der Politik präsentiert. So bekommt man weitere, spannende Einblicke in die ‚Operation Dynamo‘.

Leider kommt der Film im ersten Drittel etwas langsam in die Gänge und der Zuseher muss sich erst mal mit der Situation zurechtfinden. Wer hier keinerlei historisches Vorwissen zu Churchill oder den Geschehnissen im Vereinigten Königreich von 1940 hat, wird hier anfangs etwas auf der Strecke gelassen. Ein weiteres Problem ist eine gewisse Szene im Zusammenhang mit einer Ubahn-Fahrt, welche aber so nie stattgefunden hat. Ohne diesem Wissen kann man der Szene durchaus etwas abgewinnen, wenn man aber nachforscht, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Hier wird nämlich mit aller Gewalt eine absolut pathetisches Ereignis dazugedichtet, was nur funktioniert hätte, wenn es auch so stattgefunden hätte. Churchill war zwar im späteren Verlauf seiner Amtszeit dafür bekannt, dies des öfteren zu tun, was der Szene aber trotzdem keine Existenzberechtigung liefert.

Fazit:

Solides Historiendrama über die ersten Tage Winston Churchills als britischer Premierminister, gefüllt mit tollen Kamerafahrten, spannenden Diskussionen, schwierigen Entscheidungen und oscarprämiertem Schauspiel. Kommt nur langsam in die Gänge und gegen Ende wird es leider etwas zu pathetisch, was dem Gesamtwerk manchem Zuseher gegenüber extrem schaden könnte. Wer vor kurzem ‚Dunkirk‘ gesehen hat, sollte sich die schauspielerische Leistung von Gary Oldman unbedingt zu Gemüte führen, den Oscar 2018 als bester Hauptdarsteller hat er sich damit nämlich definitiv verdient.

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Pressematerial ist Eigentum von Universal Pictures – Bildquelle: Amazon.com
Poster: © 2018 Universal Pictures International Austria

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