Vice (Der zweite Mann) – Review

Wer hätte gedacht, dass der Regisseur von Comedies wie ‚Stiefbrüder‘, den beiden ‚Anchorman‘-Filmen oder ‚Ricky Bobby‘ im Stande wäre, mit ‚The Big Short‘ eine derart freche, außergewöhnliche Abrechnung mit dem Kapitalismus auf die Leinwand zu bringen. Diesen Erfolg möchte Adam McKay mit ‚Vice – der zweite Mann‘ nun fortsetzen. Diesmal hat er es auf den ehemaligen Vizepräsidenten der USA Dick Cheney abgesehen. Ein Mann, der vor allem unserer jüngeren Generation kaum bekannt sein wird, geschweige denn sein Einfluss auf die Welt, wie wir sie heute kennen. Was vor allem daran liegen mag, dass Dick Cheney ein Mann war, der aus dem Hintergrund agierte. Vor ihm war der Posten des Vizepräsidenten eher dafür bekannt, einfach nur auf den Tod des Präsidenten und somit auf die große Chance zu warten, aber nicht so mit Cheney. Er gilt nämlich als Strippenzieher hinter George W. Bush, des Präsidenten, der den Krieg gegen den Terror und Folter auf Guantanamo Bay salonfähig gemacht hat.

Gleich die erste Szene macht klar, dass hier kein neutrales Bild von Cheney gezeigt werden soll, denn wir sehen, wie er zum wiederholten Male wegen Alkohol am Steuer festgenommen wird. Nach einer durchzechten Nacht lenkt er im Jahre 1963 völlig besoffen seinen Wagen, raucht eine Zigarette und trällert dazu noch fröhlich ein Lied, während er von der Polizei aufgehalten wird. Allgemein neigte er im Laufe seines Studiums an der Yale University dazu, die Nächte eher mit Partys und Alkohol zu verbringen, anstatt zu lernen. Daraufhin macht ihm seine zukünftige Ehefrau Lynne klar, dass er was aus sich zu machen hat, da sie ihn sonst verlässt. Lynne wird verkörpert von Amy Adams, welche wieder mal eine absolute Hammerperformance abliefert und ihre Rolle komplett organisch und echt präsentiert. Sie ist die treibende Kraft hinter Cheney und scheint dabei neben ihren Töchtern das Einzige zu sein, was ihn auch nur irgendwie menschlich erscheinen lässt. Wir erleben ihn nämlich nicht nur als machthungrigen Politiker, sondern auch als Familienmenschen, was vom Regisseur clever dazu genutzt wird, um dessen nahezu außerweltliches Ego zu differenzieren. Nun aber zum absoluten Highlight des Films: Christian Bale als Dick Cheney. Bale ist einer der wandlungsfähigsten und vor allem besten Charakterdarsteller unserer Zeit. Kaum einer verfällt derart in seine Rollen und liefert dabei eine Glanzleistung nach der anderen ab. Wo Gary Oldman noch einen Fat-Suit tragen musste, um den korpulenten Winston Churchill zu verkörpern, futtert sich Bale einfach mal so etliche Kilos an, um ohne allzuviel Maske oder Prothesen auszukommen. Die Performance von Steve Carell als Donald Rumsfeld sollte aber keinesfalls außer Acht gelassen werden, er macht sich nämlich perfekt in der Rolle des humorvoll bösartigen, ehemaligen Verteidigungsministers der USA.

Der Humor gestaltet sich wie bereits in ‚The Big Short‘ bitterböse, dabei wird aber noch einen Schritt weitergegangen, diesmal bleibt einem nämlich nahezu jeder Lacher im Halse stecken. Insgesamt zeigt man sich in jeglicher Hinsicht erwachsener und ernster, was dem Film aber leider nicht wirklich gut tut. Zum einen könnten die vielen politischen Dialoge für so manchen Zuseher auf Dauer zu langweilig werden und zum anderen ist das Gezeigte dadurch schwieriger zu verdauen. Die Thematik ist diesmal weniger komplex, dadurch muss dem Zuseher weniger erklärt werden, gerade aber die humoristischen Passagen wie in ‚The Big Short‘, die einen durchatmen lassen, sind nicht mehr so stark vertreten. Zwischendurch will man das Publikum immer wieder mal mit fast Jumpscare-artigen Szenenwechseln wachrütteln, was nach der Zeit unangenehm auffällt. Trotzdem tobt sich der Regisseur auch hier wieder einmal aus. Wir sehen außergewöhnliche Kameraeinstellungen, dynamisch aufbereitete Konversationen und auch so manche Spielerei mit den Sehgewohnheiten. Es mag aber einfach alles nicht so recht zusammenpassen. Das Pacing schwächelt zum Teil, denn zu Beginn des Films lässt man sich noch viel Zeit für die hauptsächlich jüngeren Jahre Cheneys, nur um im letzten Drittel zu viel auf einmal unterbringen zu wollen. Trotzdem ist der Film empfehlenswert, sofern man gerade bereit für einen weiteren humoristischen Schlag in die Magengrube ist, hier wird nämlich Licht auf eine im Schatten agierende Person geworfen, welche man so sonst nicht zu Gesicht bekommen hätte.

Fazit:

Erschütterndes, humoristisch angehauchtes Biopic über den Werdegang Dick Cheneys, vom Yale-Studenten bis zum Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Der freche Stil, den Regisseur Adam McKay aber bereits mit ‚The Big Short‘ an den Tag gelegt hat, mag sich aber diesmal nicht so harmonisch auf die zugrundeliegende Story anwenden lassen und so ist das Gezeigte zum Teil langatmig, gegen Ende hin aber wieder zu gehetzt. Jedoch sind die schauspielerischen Leistungen des gesamten Casts erstklassig und die aufrüttelnden Geschichte Cheneys ist es definitiv wert, gesehen zu werden.

Kinostart: 22.02.2019

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Pressematerial zur Verfügung gestellt von Constantin Film
Poster: © 2019 Constantin Film

 

Eine Antwort auf „Vice (Der zweite Mann) – Review

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  1. Stimme fast komplett mit eurem Review überein. Besonders der Hinweis zum Pacing war gut.

    Allerdings fand ich die Thematik zu The Big Short weitaus zugänglicher und den politischen Background bei Vice deutlich komplexer. Viele politischen Hintergründe wurden – oder konnten – nur oberflächlich behandelt werden, wodurch einiges (geschichtlich relevantes) auf der Strecke blieb. Mit dem ambitionierten Ziel, ein solches Biopic in 2 Std 12 min unterzubringen, hat sich McKay leider übernommen. Schauspielerisch natürlich wieder großes Kino.

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