SLASH 2020 – Relic, VHYes, Fried Barry, The Old Man Movie, Butt Boy


Relic

Gestern wurde das diesjährige SLASH im wunderschönen Gartenbaukino mit dem hochgelobten „Relic“ eröffnet, was sich wieder Mal als perfekte Wahl für einen schaurigen Kinoabend mit ganz eigenem Einschlag herausstellte. Hier solltet ihr eure Erwartungen nicht runterschrauben, aber ins rechte Licht rücken, „Relic“ ist nämlich keineswegs ein mit Jumpscares gefühlter Standardschocker. Slowburner würde es nicht ganz treffen, viel mehr entwickelt sich die Story organisch und echt, ohne jemals effekthascherisch zu wirken. Der Einstieg samt dem ersten Drittel gestaltet sich aber langsam, schwierig und eher ungewöhnlich. Die Spannung und der Grusel ziehen sich aus der zum Schneiden dicken Atmosphäre. Ein schweres, unbehagliches Gefühl begleitet uns über die komplette Laufzeit und der wirklich herausragende Besetzung gelingt es nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, uns mehr und mehr ans Herz zu wachsen, ohne dass man uns deren gute Seiten ständig um die Nase binden muss. Regisseurin Natalie Erika James fängt mit ihrem äußerst persönlichen Langfilmdebut perfekt das Gefühl ein, welches viele von uns bereits kennen dürften. Sie stellt sich im wahrsten Sinne des Wortes dem altersbedingten Verfall und transportiert gekonnt die Hilflosigkeit, die man in solchen Situationen verspürt. Mit ganz viel Feingefühl dreht sie an der Tempo- und Spannungsschraube, bis sie uns im mutigen Finale nochmal ordentlich ein Brett über den Kopf haut. Dies macht sie aber auf so besondere Art und Weise, dass ich wirklich ein paar Tränchen vergießen musste und allein schon beim Gedanken daran wieder einen Kloß im Hals bekomme. Sollte man im Kino gesehen haben, also nutzt die Chance und gebt euch die zweite Vorstellung am 19.09. um 20:30 Uhr im Filmcasino!


VHYes

Kinder der 80er und 90er sollten ihre Ohren spitzen, denn hier kommt ein wahrer Nostalgie-Leckerbissen auf euch zu. Jack Henry Robbins gibt mit VHYes sein Langfilm-Debut. Wobei eigentlich recht kurz mit gerade mal 70 Minuten bis zum Abspann. In diesen 70 Minuten werdet ihr euch aber wie zuhause fühlen, wenn ihre eure Kindheit vor dem Fernsehkasten verbracht habt, euch nachts heimlich das böse Abendprogramm reingezogen habt und Tags über neben den Hausaufgaben mit Home-Shopping-Sendungen gebrainwashed wurdet. Der kleine Ralph hat nämlich eine Videokamera geschenkt bekommen. Ein Tape ist ganz schnell mit dem Hochzeitsvideo der Eltern gefunden und schon wird munter gedreht und aufgenommen. So führt uns der Regisseur durch die damals unglaublich bizarre Medienlandschaft und nimmt diese auf anfangs etwas konfuse, aber äußerst charmante Weise aufs Korn. Gefilmt wurde komplett auf VHS und auf Betamax-Tape. Die gespooften Szenen sind mit jeder Menge Liebe zum Detail umgesetzt und die Gastauftritte, z.B. von Jack Henrys Eltern, Tim Robbins und Susan Sorandon, können sich sehen lassen. Großes Lob geht auch an die beiden Kinderdarsteller Mason McNulty und Rahm Braslaw, herzallerliebst! Kreativ umgesetzt und wirklich lustig punktet VHYes mit Meta-Humor der feinsten Sorte. Immer wieder blitzen Szenen der Hochzeit durch und spätestens im grandiosen Finale wird klar, dass hier wohl nicht nur der Hauptdarsteller versucht, etwas zu verarbeiten! Charmant, kurzweilig, Meta und mit jeder Menge Herz!


Fried Barry

Was für ein wahnsinnig verrückter Trip. Der heroinabhängige Barry wird eines Nachts von Aliens entführt. Im Raumschiff wird Barry im Rahmen einer völlig irrwitzigen Prozedur durch ein Alien ersetzt. Also zumindest sein Verstand. Was da genau passiert, konnte ich nicht genau ausmachen, auf jeden Fall völlig crazy. Aber ihr seht schon, wie ich mit Superlativen nur so um mich werfe. „Fried Barry“ dreht nämlich ziemlich hart an der Verrücktheitsschraube, dies aber auf für mich eher wenig unterhaltsame Art und Weise. Da schrammt man immer wieder an der Grenze zum Soft-Porno vorbei und die einzige Frage, die die Abfolge der sexuellen Encounter of the Third Kind, gemixt mit teils quietschbunten Szenen im B-Movie-Gewand, ständig aufwirft, ist die Frage, wo denn nun eigentlich der Punkt ist. Soll ich schmunzeln oder soll ich den Kopf schütteln? Die meiste Zeit war ich mir da nicht so sicher. Auf ein abgedrehtes Kinoerlebnis könnt ihr euch auf jeden Fall einstellen, aber ob dabei genau eure Knöpfe gedrückt werden, liegt wohl an eurem Geschmack. Mir hat „Fried Barry“ leider zu wenig gegeben, um ihm gegenüber gut gestimmt zu sein. Schon im ersten Drittel machten sich Abnutzungserscheinungen breit und speziell im letzten Drittel wurde mir sehr viel Sitzfleisch abverlangt. Und dass bei gerade mal 99 Minuten Laufzeit. Nur die emotionaleren Momente wurden gut bis sehr gut umgesetzt und erfüllen ihren Zweck. Spaß hatte ich mit „Fried Barry“ aber kaum, auch wenn vieles stylisch und mit viel Charme umgesetzt wurde und der Soundtrack immer wieder mal ordentlich pumpt.


The Old Man Movie

Mit „The Old Man Movie“ dürft ihr euch auf einen der lustigsten Filme freuen, die ich seit langem gesehen habe! Und einen der kreativsten, witzigsten Stop-Motion Filme, die ich jemals gesehen habe! Um mal direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Der estische Regisseur Oskar Lehemaa verzaubert und besprenkelt uns hier mit einer geballten Ladung Animationscomedy, „Wallace und Gromit“ trifft auf „South Park – Der Film“, gemixt mit einem Hauch Anarchie, wie wir sie aus „Rick & Morty“ kennen. Drei Geschwister werden über die Sommerferien am Bauernhof ihres Opas abgeladen. Der alte Herr und dörfliche Milchversorger will den Kindern die Stadtflausen aus dem Kopf treiben und zeigt ihnen, was es braucht, um da draußen unter den wilden Tieren des Bauernhofs zu überleben. Als die wertvolle Milchkuh über Nacht allerdings ausbüxt, droht eine absolute Katastrophe. Vor vielen Jahren gab es nämlich schon mal eine Laktokalypse, wenn die Kuh nicht schnellstmöglich gemolken wird, kann es jederzeit zu einer erneuten Milchexplosion kommen! Also machen sie sich auf die Suche nach der Flüchtigen, bevor der Verursacher des ersten Unglücks, der titelgebende, alte Mann sie zuerst in die Finger bekommt und ihr direkt den Kopf absäbelt. Was mich beim „Old Man Movie“ am meisten begeistert hat, ist das herausragende Timing. Obwohl die bewusst hässlich gestalteten Figuren nicht mal den Mund beim Sprechen bewegen, gelingt es dem Regisseur dermaßen gut, einen Gag nach dem anderen wirklich On Point zu landen, dass ich mich teilweise gar nicht mehr einkriegen konnte vor Lachen, auch wenn er gelegentlich etwas übers Ziel hinausschießt. Die brillanten Sprecher sind dann noch das Sahnehäubchen. Unfassbar gut und mit unendlich viel Liebe zur Grauslichkeit inszeniert. 8 ganz große Herzen gibt es von mir! Ab ins Kino mit euch, der Film läuft am 24.09. um 18 Uhr und am 26.09. um 15:30 Uhr!


Butt Boy

Bei „Butt Boy“ hatte ich tatsächlich große Hoffnungen auf ein wirklich originelles, witziges aber gleichzeitig spannendes Filmerlebnis. Die Zutaten dazu wären alle da: Eine völlig wahnwitzige, aber irgendwie vielversprechende Prämisse trifft auf bemühte Darsteller und vom niedrigen Production Value kann man gekonnt ablenken. Hier will aber nichts so recht zusammenpassen. Regisseur und Hauptdarsteller Tyler Cornack wirkt, als würde er die Personifikation des Gemüts seines Films spielen, so gelangweilt wie er seinen Antagonisten mimt. Dann gibt es da teilweise Szenen, die so forciert und wirr daherkommen, dass ich es teilweise gar nicht fassen konnte. Da will unser Protagonist Detective Fox mal im Archiv nach alten Fällen suchen, ins Archiv selbst begibt er sich aber im Schleichmodus, als müsste er sich im eigenen Polizeipräsidium vor jemanden verstecken. Warum das Ganze? Keine Ahnung, weil der Regisseur wohl eine „coole“ Szene haben wollte, in der jemand schleicht? Oder ein offensichtlich kerngesundes Kind muss, scheinbar nur weil es verdreckt ist, mit einem Team von Ärzten und Schwestern in dramatischer Form ins Krankenzimmer geschoben werden. Weil, tja…na warum nicht, sieht dramatisch aus! Sonst bietet der Film auch kaum andere Reize. Die Handlung regt maximal zum Schmunzeln an, zieht sich aber dermaßen in Zeitlupe durch die Gegend, dass einem schon langweilig ist, bevor noch überhaupt die Opening Credits ablaufen. Zwei Punkte für den Einsatz und das Commitment aller Beteiligten, ein Punkt für so manchen Darsteller, das war’s aber dann auch schon.

Pressematerial zur Verfügung gestellt vom SLASH Filmfestival

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