Herzlich Willkommen zum vorläufigen Abschluss unserer diesjährigen SLASH-Reihe. In diesem Sinne möchten wir uns wieder mal ganz herzlich beim gesamten SLASH-Team für ein grandioses Festival bedanken. Ihr habt wie immer hervorragende Arbeit geleistet und es geschafft, dass es sich trotz Pandemie wie Heimkommen angefühlt hat. Wir können euch gar nicht genug loben, ihr seid einfach die Besten!
Die kommenden Wochen erwarten euch noch Reviews zu zwei Viennale Filmen. Nächste Woche erzähl ich euch, wie mir „Kajillionaire“ gefallen hat und freut euch die darauffolgende Woche auf mein Review zu „Niemals Selten Manchmal Immer“. Danach gibt es, passend zu Halloween, noch die letzte Ladung an SLASH 2020 Mini-Reviews.
Und hiermit küren wir auch gleich unser Festivalhighlight. Diesmal ist es ein Film, den wir buchstäblich nicht auf dem Zettel hatten. Es ist nämlich der diesjährige Überraschungsfilm „Dinner in Amercia“:
Dinner in America
Premiere feierte Adam Carter Rehmeiers Punk-Antwort auf „Dirty Dancing“, wie es vom SLASH-Team so schön angekündigt wurde, am diesjährigen Sundance Film Festival. Selten bin ich so dahingeschmolzen, wie in „Dinner in America“ und als absoluter Schmonzettenfeind soll das was heißen! Schmalzig wird es hier in keinem Moment und genau das haut uns direkt der erste Shot um die Ohren. Simon nimmt an einer Medikamentenstudie teil und beobachtet sabbernd Beth, eine andere Teilnehmerin, die ebenfalls zugedröhnt ihr Essen fingert. Mit dem leicht verdienten Scheck im Gepäck geht’s zu Beths Familie zum Essen, wo Simon weiter für Chaos sorgt. Und so flucht und randaliert sich Simon durch die Nachbarschaft, bis er auf Patty trifft. Die zurückhaltende, aber irgendwie liebenswürdig verrückte Kleintierverkäuferin ist ein nerviges, aber für Simon leicht gefundenes Fressen, schnell merkt er aber, dass weitaus mehr in ihr steckt, als die ganz eigene Fassade ahnen lässt. Rehmeier ist hier ein kleiner Geniestreich gelungen. Der rotzfreche, in Americana-Kritik getränkte Coming-Of-Age-Hit dreht zu Beginn etwas zu sehr am Rad, nach einer kurzen Eingewöhnungsphase macht „Dinner in America“ aber einfach nur mehr Spaß. Was eventuell sogar bewusst so inszeniert wurde, denn sobald unsere beiden Protagonisten zum ersten Mal aufeinandertreffen, fängt sich langsam alles. Hauptverantwortlich dafür sind die beiden Hauptdarsteller Emily Skeggs und Kyle Gallner. Die Chemie zwischen den Zweien ist sensationell. Herz, Wahnsinn, eine ordentliche Prise Fuck America und jede Menge Humor, ein Feel Good Movie der ganz besonderen Art, dass ihr einfach nicht missen dürft. Speziell wenn ihr selbst aus der alternativen Ecke kommt, wird euch von Szene zu Szene wärmer ums Herz, bis ihr endgültig dahinschmelzt. Man spürt förmlich, dass alle Beteiligten mit vollem Herzblut bei der Sache waren. Richtig fertig, laut und irre, und dabei sowas von zuckersüß! 8 von 10 Mittelfingern gibt’s hier von uns! Long life the misfits, oddballs and freaks!

Saint Maud

Ganz knapp dahinter reiht sich „Saint Maud“ ein, womit A24 wieder Mal beweist, dass es ein Garant für hochqualitative Indie-Hits ist. Regisseurin Rose Glass präsentiert uns mit ihrem ersten Langfilm ein richtiges Brett. Die junge, tiefgläubige Krankenschwester Maud soll sich um die vom Krebs gezeichnete Tänzerin Amanda kümmern. Anfangs verstehen sich die Beiden sehr gut, umso weniger Amanda gewillt ist, Mauds Vorstellungen zu entsprechen, umso mehr driften die beiden Welten auseinander. Maud glaubt nämlich, regelmäßig vom Allmächtigen persönlich „Besuch“ zu bekommen und macht es sich zur Aufgabe, die Seele der von Sünden getriebenen Amanda zu retten. Eine kleine Warnung vorweg ist hier allerdings angebracht: „Saint Maud“ ist ein absolutes Slowburn-Low-Key-Horrordrama, welches sich mehr mit der Psyche unserer Protagonistin auseinandersetzt. Erwartet eher was in Richtung eines Ari Aster, Jumpscare-Fans greifen weiterhin zu Blumhouse und Co. In der jungen Frau schlummert ein tiefsitzendes Trauma, welches sie nicht mehr loszulassen scheint und sie immer tiefer in ihren Wahn treibt. Die Regisseurin überzeugt ab der ersten Sekunde mit ihrer sehr dichten Erzählweise. Sie wirft uns in die düstere, trostlose Welt von Maud, ohne uns je zu nah an sie ranzulassen. Dadurch kommt es trotz der sehr langsamen Erzählweise kaum zu Hängern und gebannt verfolgen wir die Geschehnisse rund um unsere Protagonistin, ohne je so recht zu wissen, wo die Reise hingeht. Die detailverliebten, echten Sets verstärken die Sogwirkung des Films und Morfydd Clark trägt mit ihrer grandiosen Schauspielleistung den gesamten Film fast im Alleingang. Negativ fällt eigentlich nur auf, dass man mit einem Gefühl zurückbleibt, dass hier nur an der Oberfläche gekratzt wurde und doch noch mehr drin gewesen wäre. Trotzdem gehen die knackigen 84 Minuten runter wie Öl und jedem Cineasten wird wieder Mal das Herz aufgehen! Fans von psychologischem Horror können sich auf einen weiteren A24-Hit freuen!

Savage State

Eine meiner größten Enttäuschungen des Festivals war „Savage State“. An sich bin ich großer Fan von Western und das Production Value, sowie die wirklich tollen Bilder und Landschaftsaufnahmen können sich wirklich sehen lassen, was hier aber teilweise storymäßig vor sich geht, hat mich zeitweise richtig beleidigt. Eine wohlhabende Familie wird zu Zeiten des Bürgerkriegs von ihrem Land vertrieben und so entschließen sie sich, den langen Weg von der West- zur Ostküste anzutreten, um in ihre Heimat Frankreich zurückzukehren. Begleitet und beschützt werden sie dabei vom Söldner Victor. Sämtliche Charaktere sind eindimensional und machen auch sonst keinerlei Entwicklung durch, wofür aber die Darsteller nichts können, denn schauspielerisch bewegen wir uns auf sehr hohem Niveau. Dass sämtliche männlichen Charaktere entweder Schweine, Idioten oder Feiglinge sind, hat mich auch nicht sonderlich gestört, denn so kenne ich meine Gattung. Jedoch zieht sich die Reise der Familie wie ein Kaugummi und wenn dann mal was passiert, dann schreit es nur so vor Schwachsinn. Bei der Kutschenszene hätte ich beinahe mein Hirn verloren und der große Showdown strotzt nur so vor dahergeschriebenen Blödsinn. Wie lange kann man eigentlich einen Berg hochgehen? Und mit welcher Eleganz eine unserer Heldinnen noch die Waffe ziehen kann, um den Bösewicht zu erschießen, während der ihr seine Waffe schon ins Gesicht hält, spottet jeder Beschreibung. Die aufgesetzte Romanze tut dem Machwerk auch nicht gut und untergräbt das eigene Ziel, einen eher feministisch angehauchten Western zu schaffen. Zum Schluss muss einer der Darsteller noch eine Fackel im hellerleuchteten Hof aufheben, nur um sie wieder fallen zu lassen und dann in Flammen aufzugehen. Viele der von mir beschriebenen Szenen werden euch jetzt gar nichts sagen, aber ich musste sie mir einfach von der Seele schreiben. Autsch, dass tat richtig, richtig weh! Die Qualität der Inszenierung lässt sich aber trotzdem nicht absprechen, daher gibt’s hier von mir nur 5 von 10 Punkten, wo allerdings weeesentlich mehr möglich gewesen wäre!

Pressematerial zur Verfügung gestellt vom SLASH Filmfestival
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