The Northman – Review

„I will avenge you father, I will save you mother, I will kill you Fjölnir.“ – traumatisiert und verstört stammelt der junge Amleth diesen Satz vor sich hin. Auf der Flucht vor den Schergen seines Onkels, die ihm gerade seiner gesamten Familie und Zukunft beraubt haben. Mehrere Jahrzehnte später ist aus dem kleinen Amleth ein Bär von einem Mann geworden. Eine stille, gebrochene Kampfmaschine, die plündernd mit einer Bande wilder Heiden durch das Land der Rus zieht und alles niedermetzelt, was ihr vor die Axt kommt. Als hätte er sich selbst und seine Identität verloren. Eines Tages holt ihn seine Vergangenheit ein und er begibt sich auf den brutalen Rachefeldzug, der ihm prophezeit wurde. Klassischer geht es nicht, bezieht sich der Regisseur Robert Eggers doch auf die alte, skandinavische Sage des Amletus. Auf der basiert Shakespeares Tragödie „Hamlet“, die vielen von euch wohl bekannt sein dürfte. Ja, „Hamlet“ basiert tatsächlich auf einer alten, skandinavischen Wikinger-Sage. Wer hätte das gedacht!

Credit: Aidan Monaghan / © 2021 Focus Features, LLC

Wer jedoch noch nichts von Herrn Eggers gehört hat, der sollte dringend seine beiden anderen Filme nachholen. Der Mann hat nämlich zuvor erst zwei Langfilme veröffentlicht, „The Northman“ ist Nummer 3 in der noch recht kurzen Filmographie des jungen Regisseurs. Davor kam der grandiose, inszenatorisch meterdicke Brocken „The VVitch“, gefolgt vom schwarzweißen Ritt in den Wahnsinn im namensgebenden Leuchtturm. Solltet ihr die Hexe oder „Der Leuchtturm“ noch nicht gesehen haben, dann tut euch dringend den Gefallen. Dafür müsst ihr euch nicht mal ins Kino schleppen, ihr könnt beide direkt auf der Couch genießen. Mit einem Robert Eggers Film erwarten euch atmosphärisch vereinnahmende Geschichten aus einer anderen Zeit. Gefüllt mit geerdeten, unerbittlich bitteren Realitäten. In seinem Wikinger-Epos greift er meist auf sehr lange Takes zurück. Er lässt das Geschehene also so lange laufen, wie es nur geht, um damit zusätzlich eine Immersion, ja fast schon einen Sog, zu erzeugen. Es gibt nur eine Kamera und die muss dermaßen mit den Geschehnissen, Schauspielern und Sets abgestimmt werden, dass es zeitweilen einem Ballett gleicht. Die Szene, wo Amleths Vater nach seiner Rückkehr den Thronsaal betritt, seinen Sohn begrüßt und danach auf den Thron zuschreitet, sprüht nur so vor Filmkunst. In anderen Szenen geht es aber auf Kosten der Inszenierung, denn z.B. beim Erstürmen der Heidensiedlung schmeißt sich der ein oder andere Gegner schon nahezu selbst in Amleths Axt, das wird euch jedoch kaum auffallen.

Credit: Aidan Monaghan / © 2021 Focus Features, LLC

Getragen wird der Film von seinen hervorragenden Darstellern, die sich durch die Bank sehen lassen können. Amleths Vater wird verkörpert von Ethan Hawke, in die Rolle seiner vom Schicksal gebeutelte Mutter schlüpft die hier grandiose Nicole Kidman. Speziell in einer Szene dreht sie richtig auf, mehr möchte ich euch jedoch nicht verraten. Anya Taylor-Joy spielt die Sklavin Olga und hat wie immer eine hypnotisierende Ausstrahlung. Claes Bang soll ebenso nicht unerwähnt bleiben. Er übernimmt den Part des Antagonisten Fjölnir. Der einvernehmende Star des Films ist jedoch Alexander Skarsgård. Was der Mann sich für einen fast schon monsterhaften Körper aufgepumpt hat, ist atemberaubend. Sein mächtiger Stiernacken ist beinahe angsteinflößend, seine Performance in so manchen Ritualen und Tänzen animalisch. Dazu pumpt einen der rohe, oft gar etwas zu modern anmutende Soundtrack das Blut schneller und schneller durch die Adern. Gut und Böse gibt es in Eggers Geschichten nur sehr nuanciert, denn er hat ein Gespür für Authentizität und Realismus. All diese Facetten kombinieren sich zu einem hervorragenden, dreckigen Filmerlebnis.

Credit: Aidan Monaghan / © 2021 Focus Features, LLC

Noch eine kurze Erklärung meinerseits, da ich gestern mit einem Freund darüber gesprochen habe: Ich hatte bisher kaum Berührungspunkte mit dem Wikinger-Hype der Phasenweise immer wieder aufkommt. „Vikings“ hab ich immer verschmäht, ja nicht mal „Assassin’s Creed Valhalla“ hab ich gespielt. Mein Freund hat sich aber so ziemlich alles an Wikingermaterial reingezogen, was aktuell so über die Streaming-Plattformen rauscht und er verspürt eine gewisse Übersättigung, was das Thema angeht. Da ich aber davon absolut gar nichts gesehen und mitbekommen habe, kann es natürlich sein, dass ich nur deshalb jetzt völlig geflasht bin und etwas derartiges schon hunderte Male über die Bildschirme gelaufen ist. Mögt mir in dem Fall verzeihen, aber bereuen werdet ihr den Kinobesuch bei „The Northman“ aber auf keinen Fall. Robert Eggers Epos ist eine Wucht von einem Film, mit einem Bären von einem Hauptdarsteller und einer simplen, aber effektiven Geschichte, die einen nur so in seinen Bann zieht. Über die ein oder andere Länge könnt ihr getrost hinwegsehen.

Fazit

„The Northman“ ist ein sehr dicht inszeniertes, langsam vor sich hin brodelndes Biest von einem Film. Eggers Fokus auf Longshots macht sich bezahlt und reißt einen nur so in die brutale Welt der Wikinger und Heiden. Amleths Rachefeldzug kommt mit einer Wucht daher, die sich sehen lassen kann, allen voran aufgrund des bis zum Anschlag aufgepumpten Hauptdarstellers Alexander Skarsgård, der sich in die Rolle des gebrochenen, nahezu barbarischen Königsabkommens nur so hineinfallen lässt. Dabei lässt der Regisseur und Drehbuchautor gekonnt die Linien zwischen Gut und Böse verschwimmen. In seiner Welt gibt es keine Gnade, nur Schmerz. Die ein oder andere Länge und das Fehlen von mehr einprägsamen Momenten, auf die man sich gerne zurückerinnert, sei dem Mann verziehen, denn was er hier mit Amleths Wikinger-Saga abliefert, wird euch eine Weile nicht loslassen.

Pressematerial zur Verfügung gestellt von Universal Pictures International Austria
Poster:
© 2021 Focus Features, LLC

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