Sam Raimi, der Mann, der viele von uns vermutlich zum ersten Mal Comics auf der ganz großen Leinwand nähergebracht hat und der mit seiner dritten Spider-Man Verfilmung dermaßen bei Comicfans in Ungnade gefallen ist, will es nach 15 Jahren doch noch einmal wissen. Dabei lässt er sich tatsächlich auf das Marvel Cinematic Universe ein und übernimmt dazu auch noch ein bereits fertiges Drehbuch. „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ soll es also sein, so weit so vielversprechend. Ob das gutgehen kann und wie viel Platz ein Raimi in einem MCU-Film hat, besprechen wir in den nachfolgenden Zeilen.

Was macht einen Sam Raimi Film denn überhaupt aus? Jeder kennt sie, die „Tanz der Teufel“-Reihe, die von Teil zu Teil immer mehr von einem für damalige Verhältnisse ultrabrutalen Horrorfilm mit Comedy-Elementen zu einer Komödie in einem Horror-Universum. Bis er die Formel mit seiner Jahrzehnte späteren Rückkehr zum Horrofilm mit „Drag Me To Hell“, den ich euch dringend ans Herz legen möchte, perfektioniert hat. Dazwischen gab es unter anderem noch seine „Spider-Man“-Trilogie, die mit Teil 3 ihr abruptes Ende fand. „Spider-Man 2“ zähle ich persönlich zu den besten Comic-Verfilmungen aller Zeiten, wenn nicht sogar zu der besten. Bei den Marvel Studios ticken die Uhren aber anders, denn hier geht es sehr viel stringenter zu. Davon kann man halten, was man will, aber nur so konnte sich das MCU in das omnipräsente Filmuniversum entwickeln, dass es heute ist.

Und dafür darf Raimi die Altersbeschränkung PG-13 (=die amerikanischen Altersbeschränkung „ab 13 Jahren“) mehr ausreizen, als ich persönlich erwartet hätte. Der Film hat tatsächlich die brutalsten Szenen im gesamten MCU. Die Gewalt wird nie full-on gezeigt, aber man weiß, was da gerade passiert ist. Da werden auch schon mal Menschen in zwei Hälften geschnitten. Im letzten Drittel darf der Regisseur sogar in die Horrorcomedy-Trickkiste greifen, für die er eigentlich bekannt ist. In welcher Form er das macht, will ich euch natürlich auf gar keinen Fall vorwegnehmen, aber es gibt ein paar wohldosierte Jumpscares und einige Oldschool-Horrorelemente. Es gibt aber einen großen Haken: Diese Horrorelemente fühlen sich nur rein visuell nach dem Regisseur an, das Drehbuch hingegen wirkt äußerst generisch. Das Gefühl, dass da irgendwas nicht ganz zusammenpasst, konnte ich irgendwie nie ganz abschütteln. Die ersten zwei Drittel sind aber das eigentliche Problem des Films.

Denn da kommt der Film nicht nur nie richtig in die Gänge, im Mittelteil kommt er durch die ewig langen, belanglosen Dialoge und ewigen Expositionen fast vollständig zum Erliegen. Die erste Hälfte hat mich nahezu gar nicht erreicht. Mein Puls ging nie hoch, sondern irgendwann so runter, dass ich beinahe weggenickt bin. Ich musste nicht mal schmunzeln. Noch dazu verschenkt man so viel Potential, indem man die verschiedenen Verrücktheiten des Multiversums lieber von den Charakteren erzählen lässt, anstatt sie zu zeigen. Die unterschiedlichen Dimensionen werden in einer kurzen Montage abgefrühstückt, nur um dann in einer minimal von unserer abweichenden Dimension zu landen, die so ziemlich alle Alterntiv-Universen-Klischees bedient, die man sich nur vorstellen kann. Genau so wie es eigentlich nicht sein sollte. Da muss ich mich echt zusammenreisen, das mir nicht einer der dummen Klischees vor Wut über die Finger kommt, denn vielleicht findet es die Eine oder der Andere von euch ja doch lustig.

Ich finde es so unfassbar schade, dass der Regisseur nicht die Chance hatte, das Drehbuch selbst zu verfassen. Aber der strikte Zeitplan der Marvelfilme, der wegen der Pandemie eh schon nicht mehr wirklich einhaltbar schien, gab das wohl einfach nicht her, war Raimi doch eigentlich nicht die erste Wahl. Ursprünglich sollte nämlich der Regisseur des ersten Doctor Strange Films wieder den Posten übernehmen, Scott Derrickson verließ dann aber aufgrund kreativer Differenzen im Januar 2020 das Projekt und Raimi hat aus den zwei Jahren mit Pandemie wohl gemacht, was daraus zu machen war. Das Drehbuch dürfte vorab noch dazu wohl stark umgeändert worden sein. So bin ich leider wirklich enttäuscht, dass man den Mann jetzt so verheizt hat, ist seine Liebe zu Comics doch so gigantisch groß. Das stärkere, aber auch nicht übermäßig herausragende letzte Drittel und die technisch durchwegs solide Inszenierung, treffen auf die uninspirierte erste Hälfte und übrig bleibt leider nur ein durchwegs mittelmäßiges Filmerlebnis. Da können selbst Benedict Cumberbatch gemeinsam mit Benedict Wong und der talentierten Xochitl Gomez, hinterlegt von Danny Elfman’s Soundtrack leider nichts daran ändern.
Fazit
Im neuesten Eintrag des Marvel Cinematic Universe traut sich Sam Raimi nach 15 Jahren endlich wieder an eine Comicverfilmung ran. Leider übt er sich die ersten zwei, teils unfassbar zähen Drittel sehr in Zurückhaltung und wirkt stark an das relativ generische Drehbuch gefesselt. Hätte man ihn doch einfach selbst das Drehbuch schreiben lassen, mit ein paar wenigen, aber wichtigen Plotpoints, die er ablaufen muss. Denn seine Leidenschaft für Comics ist immer noch spürbar. Im letzten Drittel dreht er dann nicht übermäßig, aber doch überraschend auf und transportiert das MCU in durchaus düstere, jedoch jugendfreundliche Horrogefilde, was dann auch durchaus Spaß macht. Daher eine vorsichtige Warnung, für die kleineren Zuseher könnte der Film zu heftig sein. Aber bis ihr es mit euren Kleinen geschafft habt, alle vorherigen 27 Marvel-Filme + zumindest Wandavision zu schauen, sind sie vermutlich eh schon 12, da geht das dann schon!

Pressematerial zur Verfügung gestellt von Walt Disney Studios Motion Pictures Austria
Poster: © 2021 Marvel Studios. All Rights Reserved.
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