Le Mans ’66 – Review

1966 stand Ford vor einem riesigen Problem. Die Absatzzahlen waren im Sinkflug und der Marke fehlte es einfach an Prestigeträchtigkeit, um für Lifestyle und Stil zu stehen. Da kam Lee Iacocca die rettende Idee. Ford könnte sich doch als Rennauto-Hersteller etablieren und dafür am 24-Stunden-Rennen von Le Man antreten. Daraufhin tritt Iacocca an Carroll Shelby, einen krankheitsbedingt pensionierten Rennprofi und gefeierten Autohersteller, heran und der hat als Fahrer nur einen im Sinn: Ken Miles. Der verschrobene Brite hat allerdings nicht den besten Ruf, seine direkte, ehrliche Art treibt seine Mitmenschen nämlich immer wieder in den Wahnsinn. Sein Talent stellt er jedoch regelmäßig unter Beweis. Und so begleiten wir das ungleiche Paar auf ihrem Weg zu einem der intensivsten Rennveranstaltungen der Welt im Jahre 1966. Jeden, der vorab befürchtet, dass er mit dem Film als Nicht-Autoenthusiast nichts anfangen kann, kann ich direkt Entwarnung geben. Der Fokus liegt eindeutig auf den Charakteren. Miles ist nicht nur Rennfahrer, sondern auch liebender Familienvater und hervorragender Automechaniker. Shelby ist schon seit seinem siebten Lebensjahr gebeutelt vom Schicksal. Denn damals wurde ihm ein Loch im Herzen diagnostiziert, welches zwar zuwuchs, ihn aber trotzdem sein ganzes Leben über begleitet hat. Beide haben ihr Päckchen zu schleppen, ihr endloser Enthusiasmus schweißt sie aber immer mehr zusammen und das spürt man auch bei den beiden Darstellern.

Das absolute Highlight ist nämlich die Chemie zwischen Matt Damon als Shelby und Christian Bale als Miles. Bale geht vollends in seiner Rolle auf. Seine Aussprache, sein Verhalten und selbst seine Haltung, jeder einzelne Aspekt sitzt. Er fungiert als Herz der Geschichte und gemeinsam mit seiner durch und durch liebenswerten, kleinen Familie an seiner Seite erobert er die Kinozuseher im Sturm. Aber auch Matt Damons Performance muss sich in keinster Weise verstecken. In jeder einzelnen Szene ist die Spielfreude der beiden zu spüren. Das durchdachte Drehbuch gibt sowohl den beiden einzelnen Charakteren, ihrer Beziehung zueinander, aber ebenso dem gemeinsamen Ziel genug Raum, damit sich die Geschichte vollends entfalten kann. Regisseur James Mangold inszeniert sowohl zurückhaltend und auch detailverliebt. Wenn wir zum Beispiel miterleben dürfen, wie Miles Testfahrten mit dem Prototypen durchführt, vermittelt uns Mangold nur durch die gezeigten Bilder tatsächlich die Schwächen des Fahrzeugs. Die aufsteigende Motorhaube dürfte wohl jeden auffallen, was prompt nur wenige Momente später von Miles angesprochen wird. Was Bales Charakter im späteren Verlauf mit einem Holzkeil vor hat, wird zwar nie erklärt, zu dem Zeitpunkt hat man aber so ein Gefühl für den durchtriebenen Fahrer, dass man es sich selbst zusammenreimen kann. Hier verzichtet der Regisseur größtenteils auf Exposition und fordert so auf angenehme Weise sein Publikum.

Aber auch die Rennaction kommt keinesfalls zu kurz. Die Rennszenen sind sowohl hervorragend gefilmt und ebenso großartig geschnitten. Niemals verliert man den Überblick, gleichzeitig ist man aber mitten im Geschehen. Wirklich meisterhaft. So provoziert man beim Zuseher jede Menge Emotionen. Nicht nur einmal fühlte ich mich dazu hingerissen, laut mitzujubeln. Die grandiosen Settings mit toller Ausstattung machen das damalige Lebensgefühl spürbar. Da wir aber gleich mehrere Rennen geboten bekommen, kommen gerade zum großen titelgebenden Finale hin erste Abnutzungserscheinungen zum Vorschein. Gerade noch als man sich denkt, dass der Regisseur sein ganzes Pulver verschossen haben muss, setzt er mit dem Rennen von 1966 nochmal einen drauf. Es vergehen nämlich keine 5 Minuten und schon ist man wieder voll drin. Die 24 Stunden werden absolut kräftezehrend in Szene gesetzt. Bis auf den kleinen Stolperer im Pacing und der doch spürbar längeren Laufzeit gibt es tatsächlich nichts zu bemängeln. Überraschenderweise eines der besten Filmerlebnisse, die man dieses Jahr neben ‚Parasite‘ und ‚Joker‘ im Kino haben kann.

Fazit:

‚Le Mans ’66‘ macht Spaß, berührt und regt zum mitdenken und mitfiebern an. Matt Damon und vor allem Christian Bale brennen für ihre Rollen und strotzen nur so vor Spielfreude. Die Rennszenen sind herausragend in Szene gesetzt und das klassische, rohe Rennfeeling wurde selten so spannend eingefangen. Eine Geschichte voll Enthusiasmus und Leidenschaft für den Rennsport. Aber auch eine Geschichte über einen Familienmenschen und eine ungewöhnliche Freundschaft. Sowohl die Charaktere und auch die Rennen bekommen ausreichend Raum, um sich zu entfalten. Vor dem großen Finale gibt es einen leichten Durchhänger und zum ersten Mal wird die doch längere Laufzeit spürbar, das Gefühl wärt allerdings nur kurz. Spätestens beim großen Rennen holt James Mangold mit seiner grandiosen Inszenierung alle ab. Absolute Empfehlung und eines meiner Highlights des Jahres.

Kinostart: 14.11.2019

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Pressematerial zur Verfügung gestellt von 20th Century Fox Österreich
Poster: © 2019 20th Century Fox Österreich

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