Trotz absolut verdienter Oscar-Prämierung für „Shape of Water“, der neben der Auszeichnung für die beste Regie noch mit dem Oscar für den besten Film und zwei Weiteren ausgezeichnet wurde, ist der durch und durch liebenswürdige und vor Filmleidenschaft nur so brennende Meister-Regisseur Guillermo del Toro immer noch viel zu Wenigen ein Begriff. Wer schon mal Interviews mit dem Herrn gesehen hat, weiß wovon ich spreche. Seine Werke fühlen sich wie zeitlose, düstere Märchen an, stark verwoben mit der grausamen Wirklichkeit. 4 Jahre später folgt er demselben Schema, gleichzeitig aber auch irgendwie gar nicht. Eine übernatürliche Ebene gibt es diesmal nämlich nicht, magisch wird es aber trotzdem.

Nicht viel wissen wir über Stanton Carlisle. Nachdem er eine Leiche in ein Loch im Boden eines verwahrlosten Hauses wirft und dieses dann anzündet, steigt er in den Bus und landet schnurstracks, als wär es vorherbestimmt, in der Obhut eines Jahrmarkts, vollgestopft mit allen möglichen Schaustellern und Tricksern. Dabei entdeckt er sein eigenes Talent, gleichzeitig droht ihn aber seine dunkle Seite einzuholen. Hierbei entführt uns del Toro wahrhaft eindrucksvoll in die 30er und 40er Jahrmarkt-Szene. Man kann ihn wirklich zugute halten, dass er nahezu komplett auf echte Sets setzt und dem Treiben auf diesen richtig Leben einhaucht. Die erste Kamerafahrt über den Jahrmarkt ist eindrucksvoll und die darauffolgenden Geschehnisse verstörend, zerschmetternd und herzzerreißend traurig. Denn auch vor dem Jahrmarkt macht die gnadenlose und grausame Welt nicht halt. Trotzdem heuert Carlisle beim zwielichtigen Jahrmarktleiter Clem Hoately an.

Was jedoch etwas mit der düsteren Jahrmarktästhetik bricht ist der glattpolierte, glasklare Look von Allem im Film. Der fast schon comichafte Noir-Stil macht insgesamt aber dann doch irgendwie Sinn. Ganz warm wurde ich allerdings nie damit, denn so richtig harmonisch ineinander greift es leider viel zu selten. Die wirklich herausstechenden Gewaltspitzen gewinnen dadurch zusätzlich an Schockeffekt, aber sonst hätte ein feinkörnigerer Look für mehr Stimmung gesorgt. Wo wir direkt beim nächsten Problem wären. Del Toro gelingt es diese vor allem moralisch getriebenen, emotionalen Höhepunkte nicht perfekt auszuspielen. Nie wird man so richtig gepackt, nie treibt es einem Tränen in die Augen, auch wenn ich gerade beim ersten Donnerschlag aufgrund der plastischen Effekte schockiert und wegen des Leides ergriffen war. Man spürt förmlich, wo er gerne hin will, ein weiterer Volltreffer bleibt aber aus.

Schauspielerisch bewegt sich die Darstellerriege auf durchwegs hohem Niveau. Bradley Cooper steht die Rolle des grummeligen Einzelgängers, der ständig am moralischen Abgrund entlangtänzelt und mit jeder Sekunde droht, ins Dunkle abzurutschen. Wirklich herausragende Momente gelingen ihm aber nicht. Willem Dafoe ist die Rolle des Karnevalleiters Clem Hoately wie auf den Leib geschrieben, das Drehbuch macht damit jedoch nichts Besonderes. Toni Collette ist verführerisch, stark und gleichzeitig warmherzig, bekommt allerdings ebenso keinen goldenen Moment geschrieben. Selbiges gilt für Cate Blanchett, ihrer Figur fehlt es völlig an Tiefe, ausfüllen tut sie die Rolle trotzdem hervorragend. Ebenso sei Rooney Mara positiv erwähnt.

So beindruckt „Nightmare Alley“ visuell immer und immer wieder, plätschert dabei aber über weite Strecken unaufgeregt dahin, ohne storymäßig großartige Reize und erinnerungswürdige Momente zu schaffen. Dabei arbeitet der Regisseur handwerklich auf absoluter Höchstform. Mit welcher Leichtigkeit und Dynamik er die lebendigen und vor allem echten Sets koordiniert und gemeinsam mit Kameramann Dan Laustsen einfängt, ist bemerkenswert. Wären da nicht die vielen erzählerischen Längen, die sich nicht mit den tollen Bildern in Einklang bringen. Jetzt werdet ihr jedoch überrascht sein, dass ich euch del Toros neuestes Werk nicht nur empfehlen, sondern euch sogar ans Herz legen möchte. Denn Kenner seiner ganz eigenen Note erwartet eine spannende, wenn auch zu lang gestreckte Geschichte, voll mit seinen märchenhaften, visuellen Stärken. Mit tollen Darstellern, wunderschönen Bildern, ganz viel Noir-Flair und gezielt eingesetzten Gewaltausschlägen, bei denen so manche Tiefschläge ihr Ziel treffen dürften, aber niemandem zu sehr weh getan wird. Der Film ist nämlich einer Leinwand absolut würdig und wird viele von euch begeistern!
Fazit
Del Toros neuestes Märchen verzaubert wie immer auf seine dunkel-schrullige, fast schon B-Movie-esque Art und Weise. Was er hier wieder an liebevoll gestalteten, echten Sets auffährt und wie er mit seinen wunderbar lebendigen Kamerafahrten das Publikum in seinen Bann zieht, ist schlicht wundervoll und atemberaubend. Nichtsdestotrotz hat „Nightmare Alley“ mit einigen Längen zu kämpfen, ist am Ende viel zu vorhersehbar und storytechnisch trifft er gerade die emotionalen und vor allem moralischen Töne nur bedingt. Eine Empfehlung gibt es von mir aber trotzdem, denn Bradley Coopers obskure Reise in die Welt der Gaukler und Schausteller gleicht einer Märchenstunde von damals, nur ganz ohne Magie und Zauberei!
Kinostart: 20.01.2022

Pressematerial zur Verfügung gestellt von Walt Disney Studios Motion Pictures Austria
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