Mit „Die Fabelmans“ versucht Steven Spielberg etwas ganz eigenes, auf viele eventuell sogar befremdlich wirkendes. Er versucht seine eigene Kindheit und sein eigenes Aufwachsen in ein pseudo-biografische Filmerlebnis zu verpacken. Die Fabelmans sind eine aufgeweckte Truppe, deren Familienbande nicht erschütterbar erscheint. Als das Elternpaar den kleinen Sam zum ersten Mal ins Kino mitnimmt, ist es um den Jungen geschehen. Einerseits leicht verstört, andererseits unendlich neugierig torkelt er aus dem Stummfilm und es lässt ihn einfach nicht mehr los. Er muss die Szene eines Zugunglücks nachstellen, um herauszufinden, wie man etwas dermaßen schreckliches und gleichzeitig faszinierendes auf Film bannen kann. Eins folgt dem Anderen und bald bekommt er seine eigene Miniatureisenbahn und seine Mutter unterstützt ihn dabei, ein Zugunglück aus Miniaturen auf Film zu bannen, was dem kleinen Sam überraschend gut gelingt. So ebnet sich für ihn bald ein unausweichlicher Weg zum Filmemacher, wenn da nicht all die kleinen und großen Erlebnisse wären, die einen kleinen Jungen beim Aufwachsen nunmal prägen. So erzählt Spielberg mithilfe seiner Fabelmans eine Coming-Of-Age-Geschichte, die seinen Geist des Filmemachens trotz der autobiografischen Dramahandlung nicht nur atmet, sondern ihn in Sam personifiziert. Ob er damit aber auch über die stolzen 2 1/2 Stunden Laufzeit zu unterhalten und begeistern weiß? Finden wir es raus.

Kommen wir zuerst zum Herz des Films, nämlich dem Cast. Sams Eltern werden gespielt vom wunderbaren Paul Dano und der nuancierten Michelle Williams, an die man sich erst gewöhnen muss, aber später merkt, was eigentlich hinter ihrer Fassade steckt. Williams macht das wirklich brillant. Eine herzallerliebste Mutterfigur, die anfangs nicht allzutief blicken lässt, die Familie aber mit ihrer verrückten Art trotzdem irgendwie zusammenhält. Aber erst als Sam es gelingt, ihre Maske Stück für Stück abzunehmen, zeigt sich ihr wahres, äußerst verletzliches Ich. Und genau dabei brilliert Spielberg und genau da liegt für mich der Knackpunkt des Films: Das Mensch sein der eigenen Eltern, wenn man als Kind schmerzlich feststellen muss, dass sich kein Superhelden-Pärchen um einen kümmert und sich nicht alles um einen selbst dreht. Er zeigt eindrucksvoll, was das Elternpaar alles bereit ist, für ihre Familie zu opfern und wie sich der Blickwinkel von heranwachsenden ändert, wenn sie erkennen, dass nicht alles schwarz und weiß ist. Ein weiteren wichtigen Aspekt macht hierbei die Figur von Seth Rogen aus. Ohne zu viel zu spoilern, bringt Rogen das Familienbild durch seine liebenswerte Art ins Wanken und treibt Sam auf seinen Weg weiter voran.

Durch all die Charaktere lebt der Film und erzeugt einen Sog, der einen von der ersten Sekunde an nicht mehr loslässt und gleichfalls verzaubert. Dabei drückt Spielberg allerdings nie bewusst auf die Tränendrüsen des Kinopublikums, sondern er lässt die Geschehnisse für sich sprechen, wodurch ein organisches Gesamtbild entsteht, auf welches man seine eigene Kindheit hervorragend projizieren kann, egal ob man selbst filmaffin ist oder nicht. Jeder kennt die Momente, die das Erwachsenwerden ausmachen und die einen vor Nostalgie zu tränen rühren. Prägende Momente, die man nie vergisst. Momente, in welchen man erkennt, dass die Welt ein furchtbar chaotischer, auf den ersten Blick bösartiger Ort ist. Und auch hier schafft es der Regisseur mit seinem positiven Spin prägende Lektionen in seine Story zu verweben. Zum Beispiel der Umgang mit Rassismus und tyrannischen Raufbolden, die einen in die Knie zwingen wollen. Ich kann Spielberg hier einfach nicht genug loben, da ich selbst nie gelernt habe, mit solchen Mobbern umzugehen, was tiefe Wunden in mir hinterlassen hat.

Kommen wir nun zu Spielbergs eigener Projektionsfläche, zur Hauptfigur Sam Fabelman. In seine Rolle schlüpft Gabriel LaBelle und ihm gelingt es auf ganzer Linie, die neugierige, herzallerliebste Seele des jungen Mannes zu verkörpern. Sein Drahtseilakt wird lediglich von Michelle Williams übertroffen. Mein einziger Kritikpunkt für seine Figur geht nicht an ihn, sondern an das Castingdepartment. So sehr ich LaBelles hervorragendes Schauspiel genossen habe, so anstrengen muss er sich um sich in die Familie und in seine Rolle reinzukämpfen. Allen voran stört mich hier seine trainierte Statur, die so manchen Bully schwach aussehen lässt. Ich hatte einfach zu oft das Gefühl, dass er seine Peiniger jederzeit problemlos verprügeln könnte. Das ist jetzt natürlich Kritik auf ganz hohem Niveau, aber es reißt einen einfach immer wieder raus. Ich will mir aber auch nicht anmaßen, eine Alternative für den erstklassigen, jungen Schauspieler vorzuschlagen.

Um beim i-Tüpferl-Reiten zu bleiben, für mehr Kritik reicht es bei „Die Fabelmans“ nämlich nicht, hat mich sonst nur mehr gestört, das bei einer Autofahr-Szene mit Paul Dano am Steuer nicht darauf geachtet wurde, dass er die Kurven, die das Fahrzeug vor dem Greenscreen macht auch mit dem Lenkrad nimmt. Ich weiß, absolutes Nip-Picking, aber es ist mir nunmal aufgefallen und ich hab es auch nicht als das Augenzwinkern verstanden, dass es möglicherweise sein wollte. Dies tut Spielbergs herzerwärmenden, neuen Meisterwerk überhaupt keinen Abbruch und vor allem Filmenthusiasten möchte ich die Fabelmans dringenst ans Herz legen. Mir ging in jeder Sekunde einfach nur das Herz auf, ein durch und durch herzerwärmendes, berührendes, sich echt an fühlendes Filmporträt, das gleichfalls kurzweilig und mit jeder Menge wertvoller Lektionen und Tiefe aufwartet. Ganz großes Kino!
Fazit
Was auf viele vermutlich eigenartig und arrogant wirken wird, zahlt sich am Ende doch aus. Denn Spielbergs Ansatz, nicht einfach straight seine eigene Biografie runterzubeten, zielt auf etwas ganz besonderes ab, was anfangs vielleicht schwer zu greifen scheint, aber vollends aufgeht. Er will sich und sein Aufwachsen nicht einfach lobpreisen, sondern er will seinem Publikum damit genug Raum zur Selbstprojektion bieten, um das Filmemachen selbst in ein ganz eigenes, zauberhaftes Bild zu rücken. So könnte er so manchen Heranwachsenden einen leichten Schubs in die richtige Richtung geben und Mut zur Filmkarriere machen. Gespickt mit wundervollen Schauspielern und jeder Menge wertvoller Lebenslektionen unterhält sein „Die Fabelmans“ von der ersten bis zur letzten Sekunde, rührt zu Tränen und verzaubert. Ein wirklich wundervolles Filmerlebnis, dass ich nicht nur filmaffinen Menschen ans Herz legen möchte, sondern fast schon jeder Familie mit Kindern empfehlen möchte. Wirklich wundervoll, mir geht immer noch das Herz auf, wenn ich an so manche Szene denke und für Filmfreaks haben wir hier wohl den Film des Jahres. Hierzu gibt es meine absolute Empfehlung. Die Kinos müsst ihr dafür zwar nicht stürmen, aber ihr tut euch damit noch zusätzlich einen Gefallen. Jetzt schon einer meiner Filme des Jahres!

Pressematerial zur Verfügung gestellt von Universal Pictures International Austria
Poster: © 2022 Universal Pictures
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