Oppenheimer – Review

Diese Woche dürfen wir uns auf ein Filmdrama von Meisterregisseur Christopher Nolan. Ja, ihr habt richtig gelesen, ein Filmdrama, kein Bombast-Sommerblockbuster. Bombastisch wird’s zwar schon, aber auf Nolans ganz eigene Art und Weise. Denn Oppenheimers Geschichte passt in ihrer Tragweite, Dimension und Art perfekt zu seinem Stil. Ob das allerdings reicht, um die heftige Laufzeit von 180 Minuten zu füllen und ob Nolan die Entspannungskur guttut, finden wir in den folgenden Zeilen gemeinsam raus.

L to R: Emily Blunt is Kitty Oppenheimer and Cillian Murphy is J. Robert Oppenheimer in OPPENHEIMER, written, produced, and directed by Christopher Nolan.

J. Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe. Dass ist so ziemlich alles, was die Meisten über den Physiker wissen, der wohl zu einer der bedeutendsten und kontroversesten Veränderungen auf unseren von Kriegen gebeutelten Planeten geführt hat. Welche Bürde sein Manhattan Project mit sich gebracht hat und auf Basis welches Gedanken er sich überhaupt dafür bereiterklärt hat, will uns Nolan in seinem 3-stündigen Epos näherbringen. Natürlich tut er das nicht in Form eines 08/15 Biopic-Dramas. Was der Regisseur da auf uns loslässt, ist wirklich bemerkenswert. Ich bin immer noch verblüfft von der extremen Dichte an Eindrücken, Dialogen und Informationen, die er in „Oppenheimer“ gepackt hat.

L to R: Tom Conti is Albert Einstein and Cillian Murphy is J. Robert Oppenheimer in OPPENHEIMER, written, produced, and directed by Christopher Nolan.

All das passiert in einem unglaublich mitreißenden Fluss aus Szenen, die teils wild in den Zeitebenen hin- und herspringen. Eine 180-minütige, vollgepackte Montage. Trotzdem handelt es sich um eine seiner wohl konventionellsten Regiearbeiten. Denn so sehr wir auch mit Informationen niedergeprügelt werden und in so mancher Szene nicht genau wissen, zu welchem Zeitpunkt wir uns aktuell befinden, spätestens am Ende endstrickt sich ein ungewöhnlich klares Bild der Person Oppenheimer und seiner Wegbegleiter. Und all das, ohne auch nur einmal mit aller Kraft auf die Tränendrüse zu drücken und Oppenheimer seine Gefühlswelt glasklar ausformulieren zu lassen. Die Dramatik und Spannweite der Ereignisse ergibt sich ganz von selbst, wodurch ich auf eine ehrliche Art zum Teil schwer ergriffen war.

Josh Hartnett is Ernest Lawrence in OPPENHEIMER, written, produced, and directed by Christopher Nolan.

In die namensgebende Hauptrolle schlüpft Cillian Murphy, der hier wohl vor seiner ersten Oscarnominierung steht. Wie tief er in die Rolle des theoretischen Physikers schlüpft und wie viele Facetten er dabei auf die Leinwand bringt, ist schlicht spektakulär. Ebenso spektakulär ist die restliche Darstellerriege. Matt Damon, Benny Safdie, Emily Blunt, Florence Pugh, Robert Downey Jr., Josh Hartnett, Tom Conti, alle liefern sie brillante schauspielerische Leistungen ab und sorgen dafür, dass die Flut an Dialogen nie an Unterhaltungsfaktor verliert. Kaum könnte ich mich an ein derart dialoglastiges Biopic erinnern, welches mich allein anhand der Schauspielleistungen an der vordersten Sitzkannte gehalten hat, wie Nolans „Oppenheimer“. Es ist ein absoluter Genuss, dem Cast bei der Arbeit zuzusehen.

L to R: Benny Safdie is Edward Teller and Cillian Murphy is J. Robert Oppenheimer in OPPENHEIMER, written, produced, and directed by Christopher Nolan.

Für derart viel Anspannung und Suspense sorgt dabei auch Ludwig Göranssons Klangteppich allerhöchster Güte. Genauso wie die schier endlose Bildmontage begleitet sein Score den Film nahezu perfekt, wenn auch keine einzelnen Musikstücke hängenbleiben. Seine Musik will viel mehr den Takt vorgeben, in dem das Filmerlebnis auf uns herniederprasselt, ohne, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die Show ganz an sich zu reißen. Wenn da nicht wieder Nolans Vorliebe für die Soundabmischung reingrätschen würde. Speziell wenn ihr Filme im Originalton konsumiert, wird euch seine fast schon mutwillige Dialogverschleierung, die er in Tenet auf die absolute Spitze getrieben hat, bekannt sein. Und jetzt kann er sich selbst bei „Oppenheimer“ nicht immer ganz zurückhalten. Selten war ich so froh, Untertitel gehabt zu haben, denn zumindest beim ersten Sehen dürfte einem sonst einiges verloren gehen.

Robert Downey Jr. in OPPENHEIMER, written and directed by Christopher Nolan

Dann gibt es da außerdem noch die einzelnen Schwarz-weiß Abschnitte, welche sich mir nur so halb erklären wollen. Damit will er einen spezifischen Zeitabschnitt so intensiv, wie es nur geht, hervorheben, dabei bricht er aber so mit dem konventionellen Einsatz von Schwarz- und Weißbildern, dass seine Intention wohl nicht ganz aufgeht. Ich versteh’s, aber auch nur ein ganz kleines bisschen. Abschließend möchte ich euch nur mehr darauf vorbereiten, was denn mit „Oppenheimer“ für ein Filmerlebnis vor euch liegt. Nolans neuestes Werk ist ein reines Historiendrama, bis zum Rand vollgepackt mit mal mehr und mal weniger intensiven Dialogen. Euch erwartet keinerlei Action, dafür jede Menge Suspense und Spannung. Ihr werdet dabei nicht mit wissenschaftlichen Abarbeitungen des Themas niedergebombt, im Fokus stehen allein die Charaktere, sowie die Sache an sich und welche unglaubliche Wichtigkeit und Tragweite das Ganze mit sich bringt. Freut euch also auf einen überaus dichten Geschichtsstoff, der euch in seinen 3 Stunden jedoch in keiner Minute langweilen wird.

Fazit

„Oppenheimer“ hat eine Wucht auf eine Art und Weise, wie ihr sie selten erlebt habt. Euch erwarten 180 Minuten feinsten Schauspiels gepaart mit einem Zeitgeist, wie ihn Nolan nicht besser treffen hätte können. Er wird Oscars nur so auf den Cast herniederhageln. Schnallt euch an, den trotz der absoluten Dialogoberhand wird euch die Spannung in eure Sitze pressen. Dabei geht Nolans Handschrift so sehr auf, dass es sich sogar für mich um sein bestes Meisterwerk handeln könnte. Im Mittelpunkt steht eine der historisch bedeutendsten Figuren der Neuzeit, die jeden Moment auseinanderzubrechen droht, ohne je glorifiziert oder klar eingeordnet zu werden. Ein Urteil darf man sich hier selbst bilden und genau damit schlägt Nolan dermaßen brillant den Bogen zur Gegenwart, dass ich nur meinen imaginären Hut ziehen kann. Chapeau! Für jeden, der bereit ist, sich auf den Stoff einzulassen ein absoluter Pflichtkinobesuch.

Pressematerial zur Verfügung gestellt von Universal Pictures International Austria
Poster: © 2023 Universal Pictures

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