/slash Filmfestival – Tag 7+8 – Chained for Life, Sword of God, Charlie Says, Dreamland, I see you

Chained for Life

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Der für Cineasten wohl spannendste Wettbewerbsbeitrag am diesjährigen Festival ist wohl ‚Chained for Life‘ von Aaron Schimberg. Hier begleiten wir eine Filmcrew bei den Dreharbeiten eines ziemlich fragwürdigen B-Movies, bei welchem eine Vielzahl von körperlich andersartigen Menschen als Schockeffekt zum Einsatz kommen. Der im Gesicht deformierte Rosenthal, überragend gespielt von Adam Pearson, übernimmt eine der Hauptrollen im Film im Film. Regisseur Schimberg strotzt bei diesem durch und durch außergewöhnlichen Werk nur so vor unendlich kreativen Ideen und dem perfekten Feingefühl, um den von Crewmitglied zu Crewmitglied variierenden Umgang mit den beeinträchtigten Schauspielern weitgefächert darzustellen. Die zweite Hauptrolle im Trash-Schocker übernimmt Mabel. Sie macht sich zum Beispiel vorab die meisten Gedanken, wie sie ihrem Gegenpart zum ersten Mal gegenübertreten soll. Man merkt, dass sie ihm nicht zu nahetreten will, kann ihm aber zu Beginn kaum in die Augen sehen. Da in Rosenthal aber ein äußerst liebenswürdiger, intelligenter Mensch steckt, entwickelt sich eine Beziehung der anderen Art zwischen den beiden. Nebendarsteller Max hingegen, glaubt, Rosenthal positiv zu begegnen, transportiert seine vielen Vorurteile aber unterschwellig. Spannend ist auch die Vermischung der verschiedenen Epochen. Die Schauspieler schlendern selbst außerhalb des Filmsets stets in Kleidern der 30er-Jahre durch die Gegend. So ergeben sich unglaublich interessante Momente, in welchem Vergangenheit und Hier und Jetzt verschmelzen. Dazu erhält man noch detaillierte Einblicke in den Ablauf des Filmschaffens. Wenn Rosenthal seine Szene zehn mal wiederholen muss, weil er dem Regisseur zu schnell ins Bild geht und er ihm seine Vision versucht zu vermitteln oder wir den Drehbuchschreiber am Set beim Umändern des Skripts beobachten, empfindet man einfach nur pure Filmliebe. Gekonnt spielt man mit positiven und negativen Gefühlen. Ein wirklich von Anfang bis Ende durchgeplantes Meisterwerk, welches es schafft, alle Beteiligten mit unendlich viel Respekt zu behandeln, ohne dass die Gesellschaftskritik dabei zu kurz kommt. Grandios!

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Zusatz-Info: Am Sonntag den 29.09. gibt es noch eine Zusatzvorstellung um 21 Uhr im Metro Kinokulturhaus. Lasst euch dieses Meisterwerk nicht entgehen!


Sword of God

Bartosz Mrozowski

Zwei Missionare stranden auf einer Insel. Im Namen Gottes und des Prinzen sollen sie die dort ansässigen Ureinwohner zum Christentum bekehren. Als sich die Wege der beiden aufgrund ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten trennen, braut sich allmählich ein Konflikt zusammen, welche sie unausweichlich wieder aufeinanderprallen lässt. Überraschend stilsicher und unglaublich nah am Geschehen. Der Film setzt nämlich auf eine Vielzahl von Close-Ups, Dutch Angles und imposanten Weitwinkelaufnahmen. Das gewünschte Gefühl der Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit transportiert sich dadurch hervorragend. Der polnische Regisseur Bartosz Konopka orientiert sich dabei an der Ästhetik von Refns ‚Vallhalla Rising‘, der Trostlosigkeit von Scorseses ‚The Silence‘ und die Ureinwohner erinnern stark an Mel Gibsons ‚Apocalypto‘. So entwickelt ‚Sword of God‘ einen fieberhaften Sog aus gestochen scharfen Bildern, einem vor sich hin brodelndem, percussionlastigem Score und kreativen Kameraeinstellungen. Sowohl die Regiearbeit, das Production Design und das Drehbuch ergänzen sich perfekt. Die nicht so überzeugenden Sets kaschiert man meist gekonnt durch an den Charakteren klebenden Kameras. Themen wie Korruption und Machtmissbrauch schüren den Hass des Publikums, welcher sich im grandiosen Finale auf unerwartete Weise entlädt. Ein Rundumschlag gegen alles, was vielen von uns heilig ist. Die Gemeinschaft der Individuen trifft auf die Gemeinschaft der Wilden. Wer am Ende übrig bleibt, seht ihr am besten selbst, sofern ihr mit entschleunigten Erzählungen etwas anfangen könnt.

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Charlie Says

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Nach ‚Once Upon a Time … in Hollywood‘ und David Finchers ‚Mindhunter‘ beschäftigt sich nun ein drittes Werk mit der Sekte rund um Charles Manson. In den Fokus gerückt werden dabei die drei Frauen, welche für die von Manson indoktrinierten Gräueltaten ins Gefängnis wanderten. Ganz im Sinne einer Charakterstudie sehen wir die Drei vor der Tat, währenddessen und danach im Gefängnis. Ob Leslie, Patricia und Susan ein derartiges Portrait aber wirklich verdient haben, um es gewagt auszudrücken, stellt allerdings die wohl größte Problematik des Films dar. Soll man Täter derart vermenschlichen und darstellen? Eine klare Aussage trifft die Regisseurin jedoch nie. Die erste Stunde über sehen wir hauptsächlich, wie Manson neue Opfer auf die Spahn-Ranch lockt und sie daraufhin einer Gehirnwäsche unterzieht. Das Gezeigte besteht dabei vor allem aus Orgien, Drogenkonsum, sexueller Gewalt, welche vom wahnsinnigen Anführer als sexuelle Offenheit verkauft wird und jeder Menge Gehirnwäsche. Immer wieder sehen wir Manson beim Musizieren und dass so oft, dass es sich einfach nur ins unendliche zieht. Die komplette Handlung scheint stillzustehen, nur um Mansons Weltansichten auf den Zuseher niederprasseln zu lassen. Matt Smith übernimmt die Rolle des Sektenführers und macht das erstaunlich gut. Wenn auch gelegentlich der aufgeklebte Bart etwas zu gut zu sehen ist, dafür kann er aber natürlich nichts. Regietechnisch sieht es allerdings nicht ganz so rosig aus, denn hier lässt überhaupt gar nichts auf eine eigene Handschrift oder auf einen visuellen Masterplan schließen. Teilweise wirkt es sogar fast schon TV-artig. Somit treffen in ‚Charlie Says‘ viele Probleme aufeinander. Am meisten stört mich jedoch die anfangs erwähnte Vermenschlichung der Frauen. Die Lehrerin im Frauengefängnis, welche die Drei regelmäßig unterrichtet, sagt es selbst ganz treffend: Alles, was ihnen von Manson eingetrichtert und gepredigt wurde, macht auf einer rein logischen Ebene absolut keinen Sinn. Ein solches Bild dann im selben Atemzug auf Film zu bannen ist daher ebenfalls fragwürdig.

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Dreamland

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In ‚Dreamland‘ sehen wir Stephen McHattie in einer Doppelrolle. Einmal als Auftragskiller Jonny und einmal als namenlosen Trompetenspieler. Jonny will weg von seinem Auftraggeber Hercules. Als der nämlich Kinderprostitution als neue Einnahmequelle entdeckt, nachdem Jonny kurz davor mit großer Freude die Führerschaft des wohl größten Rings ermordet hat, ist die Grenze für ihn erreicht. Als letzten Auftrag soll er dem Trompetenspieler den kleinen Finger abschneiden. So weit so gut. Neo-Noir-Feeling trifft auf eine David Lynch artige Erzählung. Der Killer und der Trompetenspieler werden nämlich beide von McHattie gespielt. Was das Ganze soll? Keine Ahnung. Regisseur Bruce McDonald schafft es einfach nicht, auch nur irgendwie eine Narrative der Klasse Lynch zu entwickeln. Er scheitert am Balanceakt zwischen „zu Realitätsnah“ und „zu drüber“. So haperts stark am Pacing und dadurch am Unterhaltungsfaktor, was die Laufzeit spürbar länger macht. Die Fantasie der Zuseher wird ebenso wenig angeregt und es kommt auch kein Drang zum Miträtseln auf. Interessant ist der Streifen aber irgendwie trotzdem. Wenn zum Beispiel plötzlich Kinder in Anzügen durch die Stadt laufen oder ein Vampir auf den Plan tritt, erzeugt das schon einen angenehmen Buzz. Reinschauen kann man, wenn einem der Stoff anspricht also doch mal, solange man die Erwartungen auf einem Minimum hält.


I see you

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Polizist Greg steht vor einem Scherbenhaufen: Seine Frau hat ihn betrogen, sein Sohn kocht nur so vor Hass gegenüber seiner Mutter und dann ist auch noch ein Kind in der Nachbarschaft verschwunden. Gleichzeitig häufen sich seltsame Ereignisse im Familienhaushalt, da fangen mal Plattenspieler von allein an zu spielen oder der Fernseher schaltet sich von selbst ein. Das ist auch schon alles, was man vorab über den Film wissen sollte. Dieser lebt nämlich vom Spiel mit den Erwartungen des Zusehers. Treibt da etwa ein Geist im Haus sein Unwesen? Oder verliert seine Frau Jackie nach ihrem Ausrutscher einfach nur den Verstand? Helen Hunt spielt die Familienmutter Jackie, bekommt für ihre Schauspielklasse aber irgendwie zu wenig zu tun. Jedoch stellt man sich eher die Frage, wozu die Dame überhaupt noch in der Lage wäre. Zu emotionslos wirkt sie durch ihre kaum noch vorhandene Mimik. Jon Tenney als Greg tut sich sichtlich schwer dabei, die nötige Bandbreite für seine Rolle aufzubringen. Das erste Drittel gestaltet sich atmosphärisch dicht und düster. Der dröhnende Soundtrack und die am Boden liegende Stimmung innerhalb der Familie, gemixt mit dem Gruselfaktor des Ungewissen packen den Zuseher tatsächlich ordentlich am Schlafittchen. Sobald sich dann jedoch der Vorhang lüftet, steht man als Zuseher vor der wohl größten Herausforderung. Der Twist an sich ist wirklich gut, vielmehr steht und fällt der Film dann damit, ob man seine Ausführung tatsächlich so sehen möchte. Genaueres kann ich aus Spoilergründen dazu nicht sagen. Mir gefiel die Wendung zwar sehr, allerdings war ich etwas genervt davon, wie diese in weiterer Folge auserzählt wurde. Auch übertreibt man es dann ein wenig mit den Hakenschlägen und dass ein oder andere Logikloch muss man einfach hinnehmen. Das große Finale dreht dann aber wieder ordentlich an der Spannungsschraube und die Handlung wird zu einem ziemlich überraschenden, aber befriedigenden Ende geführt. So bleibt beim Verlassen des Kinosaals ein positives Gefühl. Wirkungsvoller Suspense-Grusel mit kreativen, frischen Ideen. Definitiv eine Empfehlung meinerseits!

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Pressematerial zur Verfügung gestellt vom /slash Filmfestival

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