Boyz in the Wood
Ninian Doff versucht sich in seinem Langfilm-Debüt an einer satirischen Komödie über vier Jugendliche, welche sich der ‚Duke of Edinburgh‘-Challenge stellen. Ein langer, mit allen möglichen Gefahren gepflasterter Weg erstreckt sich über die britischen Highlands, an dessen Ziel eine der angesehensten Auszeichnungen des Königreichs wartet. Dass es sich hierbei um ein Spiel um Leben und Tod handelt, erahnen Dean, Duncan, DJ Beatroot und Ian allerdings nicht. Bis auf Ian hat keiner der Jungs auch nur das geringste Interesse an der Challenge, als sie jedoch angegriffen werden, müssen sich die drei Möchtegern-Gangster mit dem intelligenten, jedoch äußerst naiven Ian zusammenrotten. Stylisch hochpoliert werden wir ohne große Umschweife mitten in das Geschehen geworfen und was Doff dabei für ein British-Comedy-Feuerwerk loslässt, ist wirklich sagenhaft. Dementsprechend herrschte bei der gestrigen Vorstellung im Filmcasino die gesamte Laufzeit über Partystimmung. Zwar trifft nicht jeder Gag ins Schwarze und der britische Slang ist manchmal eine echte Herausforderung, trotzdem durchzieht den Film ein sympathischer Vibe, welche so ziemlich jeden auf seine Seite ziehen sollte, sofern man dem oft mit der Brechstange agierenden Humor nicht abgeneigt ist. Im Mittelteil geht man etwas zu sehr vom Gaspedal, man fängt sich dann allerdings recht schnell wieder. Den Jungdarstellern nimmt man ihre Rolle durchaus ab. So kann man ‚Boyz in the Wood‘ jedem Fan der Cornetto-Trilogie empfehlen. Wer allerdings schon ‚Hot Fuzz‘ als Cringe-Fest empfunden hat, wird mit Ninian Doffs Werk erst recht nicht glücklich werden.
Scary Stories to Tell in the Dark
Nach dem doch sehr passablen ‚The Autopsy of Jane Doe‘ macht sich André Øvredal, der Mann hinter ‚Trollhunter‘, an eines seiner Herzensprojekte. Als Vorlage nimmt er sich die gleichnamige Kinderbuchreihe von Alvin Schwartz. Dabei erhält er jede Menge Unterstützung von Guillermo del Toro. Dementsprechend groß waren also die Hoffnungen auf ein plastisches Gruselfest der Marke „Light Horror“. Daraus geworden ist allerdings eine eher enttäuschende Mixtur aus allem, was im Mainstream gerade angesagt ist. ‚Stranger Things‘ trifft auf ‚Gänsehaut‘ mit ein paar kleineren Schockspitzen. Lediglich der merklich mit viel Liebe zum Detail durchzogene Flair hebt den Streifen vom absoluten Durchschnitt ab. Die Jungschauspieler sind zwar sympathisch gewählt, ihren Charakteren fehlt es aber einfach an Tiefe. Bei der beachtlichen Laufzeit von 111 Minuten eher schwer nachvollziehbar. Da wäre definitiv mehr möglich gewesen. So zieht es sich speziell im letzten Drittel so richtig und irgendwie ist die Luft raus. Die vielen handgemachten Effekte haben wie erwartet einen an del Toros Werke angelehnten Charme, jedoch greift man leider viel zu oft auf eher maues CGI zurück. Was wohl daraus hätte werden können, wenn er selbst am Regiestuhl Platz genommen hätte. Viel zu viele Aspekte ziehen die Wertung nach unten und so bleibt leider nur ein viel zu durchschnittliches, wenn auch liebevoll umgesetztes Werk. Beim jugendlichen Publikum könnte ‚Scary Stories to Tell in the Dark‘ aber sehr wohl auf jede Menge Anklang stoßen und den ein oder anderen könnte es sogar neugierig auf die Welt des Horrors machen.
The Father’s Shadow
2 Jahre nach dem Tod seiner Frau ist Vater Jorge immer noch ein Schatten seiner selbst. Fast teilnahmslos verbringt er seinen Alltag meist auf der Baustelle. Für seine Tochter Dalva erhält er Unterstützung von seiner Schwester. Als die allerdings eines Tages auszieht und sich auf der Baustelle seltsame Unfälle ereignen, geht es mit der zweiköpfigen Familie immer weiter bergab. Dalva verliert sich dabei in alten Vodoozaubern und träumt von der Vergangenheit. Äußerst ruhig erzählt, arbeitet der Regisseur mit seinem Film Kindheitstraumata auf und lässt dabei aber auch die Seite des alleinstehenden Vaters nicht außer Acht. Dies tut er allerdings derart ruhig und entschleunigt, dass man ‚The Father’s Shadow‘ eher als Familiendrama einordnen sollte. Horror ist nämlich nur begrenzt vorhanden. Auch atmosphärisch kann das Werk kaum punkten. Regietechnisch jedoch sehr solide und schön in Szene gesetzt. Es fehlt allerdings einfach am gewissen Etwas. Die Schauspieler sind wirklich gut, die Settings durchdacht gewählt, aber das Drehbuch ist meiner Meinung nach einfach viel zu verhalten. Da hat man zum Beispiel beim ‚Barbadook‘ oder bei ‚Hereditary‘ schon in viel düsterere Abgründe geschaut. Depressiv, düster, hoffnungslos – wer sich mal so richtig runterziehen lassen will, ist hier genau richtig.
Wintermärchen
Ein weiterer /Competition-Teilnehmer der es ordentlich in sich hat. Jan Bonny nimmt sich mit seiner ganz anderen NSU-Abrechnung einem brandaktuellen Thema an. Aber nicht so, wie es wohl alle von ihm erwarten würden. Er legt nämlich den Fokus nicht auf die Mechanismen der rechtspopulistischen Bewegung, sondern konfrontiert uns mit einem viel intimeren Bild einer kleinen Gruppe. Dabei verlangt er seinen Schauspielern wirklich alles ab, es wird nämlich tatsächlich explizit pornographisch und dass in einem überaus unangenehmen Ausmaß. Ein durch und durch verstörendes Bild von drei völlig verlorenen Menschen, welche vor psychischen Problemen nur so überladen sind. Leider erfahren wir viel zu wenig über die Hintergründe von Tommi, Becky und Maik. Durch die als Momentaufnahme agierende Inszenierung fehlt es den Dreien nämlich eindeutig an Fleisch auf den Rippen. So stößt er dem ohnehin schon stark herausgeforderten Publikum nochmal zusätzlich vor den Kopf. Viel zu sehr ergeht er sich in den nicht enden wollenden Sexszenen, welche mehr und mehr zur puren Provokation verkommen. Natürlich sind die vielen Beweggründe des Regisseurs zu jeder Zeit erkennbar, allerdings wird durch das beinharte Durchsetzen seiner Vision nicht unbedingt klar, wen er mit seinem Werk erreichen will. Trotzdem sollte man ihm zu Gute halten, dass er mal was Neues probiert hat. Er zeigt nämlich nicht mit dem Finger auf derart menschenverachtende Vorkommnisse, sondern präsentiert uns sein überspitztes Bild von völliger sozialer Verwahrlosung, ohne dabei mit der Ideologie selbst herumzuwedeln. Die Probleme beginnen in der Realität nämlich ganz wo anders.
Nina Wu
Die seit Jahren erfolglose Schauspielerin Nina Wu bekommt die Chance ihres Lebens: Sie soll die Hauptrolle in einem vielversprechenden, aber kontroversen Film übernehmen. Aber irgendetwas scheint ihr schwer auf der Seele zu liegen. Am Filmset wird sie vom Regisseur schikaniert und gedemütigt, um aus ihr die bestmögliche Performance rauszuholen. Daran scheint die ohnehin schon gebeutelte Frau nun endgültig zu zerbrechen. Stück für Stück werden wir im eher verschachtelten Erzählstil dem brutalen Filmbusiness nähergebracht. So sehen wir die Ereignisse am Set, sehen Nina aber auch privat am emotionalen Abgrund. Die langsamen, schwermütigen, aber gestochen scharfen Bilder entfesseln einen sehr guten Flow, welcher einem richtig aufs Gemüt schlägt. Den gekünstelt wirkenden Look unterstelle ich dem Film als bewusste Entscheidung. Da wir sehr oft durch nicht eindeutig identifizierbare Rückblenden und die vermeintlichen Träume von Nina abgelenkt werden, ist man als Zuseher stets gefordert. Bei einer Szene bin ich mir noch immer nicht sicher, ob diese nicht gar erst nach den Ereignissen spielt. Auf dies gemischt mit einem ziemlich langsamen Erzähltempo sollte man sich vorab einstellen. Denn irgendwie geht der Plan auf und hier erwartet uns ein tatsächlich ambitioniertes und zutiefst verstörendes Bild, verborgen hinter der Welt voll Glanz und Glamour. Lasst den Film daher einfach mal auf euch wirken und bildet euch erst danach ein Urteil. Schwierig, aber unbedingt sehenswert. Die Nina Wu Darstellerin Ke-Xi Wu hat nämlich am Drehbuch mitgeschrieben und ihre persönlichen Erlebnisse mit einfließen lassen.
Pressematerial zur Verfügung gestellt vom /slash Filmfestival
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