Slash Filmfestival 2022 – Deadstream, Sick Of Myself, Speak No Evil

Deadstream

Der gecancelte Streamer Shawn versucht mit allen Mitteln seine Followerschaft zurückzugewinnen. Seine Show basiert darauf, immer wieder an seine eigenen Grenzen zu gehen. Das es sich hier um die Grenzen eines absoluten Weicheis handelt, spielt in diesem Fall keine Rolle. Wichtig ist nur, dass sich das Publikum unterhalten fühlt. Um seine Widerauferstehung aus den Untiefen der in Ungnade gefallenen Influencer voranzutreiben, will er sich nun für eine Nacht in ein berüchtigtes Spukhaus einsperren und das Geschehnis mit jeder Menge Kameras ins Internet streamen. Hiermit gelingt Regisseur und Hauptdarsteller Joseph Winter mit Vanessa Winter, mit der er sich den Regiestuhl teilt und das Drehbuch verfasst hat, ein wahres Kunststück. „Deadstream“ ist nämlich ebenso zum Schreien komisch, wie in vielen Moment Angsteinflößend. Bei abgebrühten Horror-Gorehounds wird sich natürlich nicht so viel tun, aber wenn solche Haunted House Geschichten einen weichen Punkt bei euch treffen, dann könnte die ein oder andere schlaflose Nacht auf euch warten. Neben den meist gut gemachten Gruseleinlagen und der geschickt eingesetzten Gesellschaftskritik gelingt das Kunststück aber vor allem wegen dem Hauptdarsteller. Was der Mann für eine Motivation und Spielfreude vor die Kamera bringt, kann sich wirklich sehen lassen. Er lässt einem selbst über die gelegentlich nicht allzu gelungen praktischen Effekte und Puppen hinwegsehen, für mich waren das vielmehr Reminiszenzen an die „Tanz der Teufel“-Reihe. Solltet ihr also noch nach einem gelungenen Horror-Spaß-Fest für eine Halloween-Nacht unter Freunden suchen, seid ihr hier genau richtig.

Sick Of Myself

Signe und ihr Künstlerfreund Thomas haben ein ernsthaftes Problem. Sie können es einfach nicht ertragen, wenn jemand anderes als sie selbst im Mittelpunkt des Geschehens steht. So lässt das seltsame Narzisstenpärchen keine Gelegenheit aus, um mit dem Gesicht voran von einem Fettnäpfchen ins Nächste zu springen, nur um alle Augen auf sich zu richten. Grenzen gibt es dabei keine. Signe schreckt dabei nicht mal davor zurück, sich selbst zu verstümmeln. Mit „Sick Of Myself“ präsentiert uns Kristoffer Borgli eine Gesellschaftssatire, die wohl nicht für jedermann und jederfrau verdaulich sein wird, Durchhaltevermögen und Interesse aber dermaßen belohnt, wie es kaum ein anderer Film dieses Festival tut. Denn Borglis Film zählt für mich zu einem der absoluten Highlights des Festivals. Eine derart messerscharfe Parabel auf unsere Gesellschaft habe ich selten erlebt. Ein Rundumschlag, der gleichsam weh tut und zum laut loslachen animiert. Fast mit chirurgischer Präzision legt der Regisseur Schicht für Schicht den Wahnsinn offen, der aktuell in unserer Welt vorherrscht. Sei es die Modewelt, die sich nun ihr Gewissen mit handicaped Models reinzuwaschen versucht, nachdem man für das Aushungern der regulären Models auf die Finger bekommen hat oder der unendliche Drang nach Selbstdarstellung, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verlieren, sich selbst zu verwirklichen. Ganz, ganz großes Kino! Daher anschauen und durchbeißen, so sehr es auch beim Zusehen weh tun mag. Vielleicht findet man sogar die ein oder andere Chance zur Selbstreflexion.

Speak No Evil

Ebenso Gesellschaftskritisch geht es mit „Speak No Evil“ weiter. In diesem Psychothriller rechnet Regisseur Christian Tafdrup mit dem anderen Extrem der Gattung Mensch ab. Mit all den Ja-Sagern und Weicheiern, die dermaßen gebrochen sind, dass nicht einmal mehr ein animalischer Überlebensinstinkt vorhanden ist. Dabei fängt die Geschichte ganz idyllisch und friedlich an. Eine dänische Familie bestehend aus Bjørn, Luise und der kleinen Agnes lernt im Urlaub in der Toskana eine niederländische Familie kennen, die sie daraufhin zu sich in ihr kleines Haus in Holland einlädt. Nach langem Überlegen nehmen die Drei das Angebot doch an, setzen sich ins Auto und fahren los. Dort angekommen macht sich allerdings ganz schnell das Gefühl breit, dass mit der Gastgeber-Familie etwas nicht stimmt. Die wird nämlich nicht müde, die Grenzen der Drei in jedem verfügbaren Moment auszuloten, bis es sich mehr und mehr zuspitzt. Warum mich „Speak No Evil“ nicht so ganz überzeugt hat, hat mehrere Gründe. Zum einen ist der „auf die Stirn greifen“-Faktor sehr hoch. Die ganze Story lebt von derart vielen Zufällen in Kombination mit einer Unmenge an dummer Entscheidungen, dass es sich am Ende anfühlt, als würde man eher im Lotto gewinnen, bevor sich das Gezeigte so abspielt. Auch bleibt die Motivation der Gastgeber vollends unklar und lässt sich auch nicht organisch herleiten. Ebenso übertreibt es Tafdrup mit der Darstellung von Bjørn und Luise derart, dass man am Ende am liebsten etwas aus dem Kinositz reißen will. Nur um den eigenen Punkt mit aller Gewalt rüberzubringen. Meiner Meinung nach setzt bei jedem irgendwann der reine Überlebensinstinkt ein, speziell wenn es um das eigene Kind geht. So schreibt er sich ein innerlich offensichtlich totes Opfer-Ehepaar daher, dem der Stock im Arsch beim Halse wieder rauskommt, dass sich vom völlig motivlosen Täter-Ehepaar über den Rand des ertragbaren hinaus treiben lässt. Genauso gewollt und forciert kommt die Inszenierung daher, ohne dabei den Film zu sehr von der Masse hervorzuheben. Da wäre sehr viel mehr drin gewesen.

Pressematerial zur Verfügung gestellt vom SLASH Filmfestival

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